01.05.2024
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WUH
Ausgabe 10/2024
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3 Min

Jagdskandal

Abartige Schießorgie

Es gibt einige Formen von Perversion. Eine davon ist, betäubtes Gatterwild auszusetzen, um es am nächsten Tag totzuschießen. Was wie ein schlechter Witz klingt, ist in Rheinland-Pfalz passiert. Christoph Boll hat recherchiert.

Abartige Schießorgie

Bild: R. Miesen/chb

Es ist ganz leicht, Jäger oder seine jagdliche Landsmannschaft in Verruf zu bringen. Wie, das hat eine niederländische Jagdgesellschaft im Landkreis Bernkastel-Wittlich gezeigt. Während einer Drückjagd im rheinland-pfälzischen Bausendorf-Olkenbach hat sie munter zuvor ausgesetztes, zahmes und betäubtes Damwild totgeschossen. Man erinnert sich unweigerlich an den Weltrekord-Hirsch „Burlei“, der 2005 in Bulgarien als vermeintlich frei lebender Recke zur Strecke gelegt wurde. Seine wahre Heimat aber war ein Zuchtgehege in Oberösterreich.

Woher das in Olkenbach erlegte Damwild stammt, ist noch ungeklärt. Ziemlich sicher ist aber, dass es am 13. Dezember vergangenen Jahres aus einem Gatter speziell für die Drückjagd am 15. Dezember herbeigeschafft wurde. Aufgefallen ist das Rainer Miesen, der am späten Nachmittag unterwegs war, um am Waldrand seine Schafe zu füttern. Dabei fiel ihm ein unbekannter Geländewagen mit einem „Riesenanhänger“ auf. „Ich habe zunächst geglaubt, dass jemand seinen Abfall im Wald entsorgen will“, schildert der 57-Jährige, der selbst Jäger und Waldbesitzer ist, sein Erlebnis. Wenig später fuhr er der Wagenspur auf dem Wirtschaftsweg nach, um zu sehen, wo Müll abgeladen wurde. „Dabei bin ich an eine Stelle gekommen, wo Stroh lag. Vermutlich wurden die Tiere dort abgeladen. Kurz darauf kam mir das Damwild auf dem Weg entgegen.“ Etwa 15 handzahme Stücke seien es gewesen, die sich aus dem Auto heraus streicheln und fotografieren ließen und erkennbar an Menschen gewöhnt waren, so der Augenzeuge.

Am Folgetag lagen in dem von den Niederländern gepachteten Revier 8 Stücke Damwild auf der Strecke, das in der Gegend in freier Wildbahn gar nicht vorkommt. Miesen wendete sich daraufhin an die Kreisverwaltung. Das Veterinäramt wurde umgehend beim verantwortlichen deutschen Jagdleiter vorstellig und beschlagnahmte das Wildbret in Wildannahmestellen in Trier und in Belgien. Das Landesuntersuchungsamt wies wenig später Beruhigungsmittel im Fleisch nach. Ob das Damwild künstlich ruhiggestellt wurde, um Verletzungen beim Transport zu vermeiden oder um den Fluchtreflex auszuschalten, und es so zur leichten Beute der Jagdgäste werden zu lassen, ist offen. Klar aber ist, dass der Kreis Bernkastel-Wittlich den Jagdleiter bei der Staatsanwaltschaft Trier angezeigt hat und diese nun wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz strafrechtlich ermittelt. Das Erlegen von Gatterwild fällt nicht unter das Jagd-, sondern unter das Tierschutzrecht.

Wes Geistes Kind am Werk war, zeigte sich auch daran, dass kurz nach der Jagd 3 verwaiste Kälber in Olkenbach herumirrten. Miesen geht davon aus, dass die Alttiere während der Drückjagd ohne Rücksicht auf den Muttertierschutz geschossen wurden. Bis auf wenige ­Meter konnte er sich einem der Kälber nähern und davon Aufnahmen machen.

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Nach der Jagd irren 3 verwaiste Kälber durch den Ort. (Bild: R. Miesen/chb)

Der Deutsche Jagdverband (DJV), der LJV Rheinland-Pfalz und die Konink­lijke Nederlandse Jagersvereniging ­haben inzwischen das Aussetzen und Betäuben von zahmem Gatterwild, das zum Zweck der Jagd grundsätzlich verboten ist, scharf verurteilt. Der LJV hat zudem angekündigt, Strafanzeige zu stellen. „Solche kriminellen Praktiken widersprechen unserem Verständnis von Waidgerechtigkeit und haben mit Jagd rein gar nichts zu tun“, sagt DJV-Präsident Helmut Dammann-Tamke. Die 3 Jagdverbände distanzieren sich entschieden von illegalen Praktiken Einzelner, die dem Ansehen von Jagd und Jägern schaden. Sie fordern die ­ermittelnden Behörden auf, alles dafür zu tun, die Hintergründe des Falles aufzuklären. „Sollte sich der Verdacht bestätigen, müssen die Verantwortlichen mit aller Härte des Gesetzes bestraft werden“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.

Autor: Christoph Boll