22.06.2023
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JWW
Ausgabe 03/2023
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16 Min

Kongo

Der "Kleine" aus dem Regenwald

Der Waldbüffel (Syncerus caffer nanus), auch bekannt als Rot- oder Kongo-Büffel, ist die kleinste Unterart des afrikanischen Wildrindes. Unterschätzen sollte man sie aber nicht.

Der "Kleine" aus dem Regenwald

Bild: Christophe Morio

Alles an diesem Büffel ist „Miniatur“ − außer, und das muss betont werden, sein Temperament! Sein Gewicht variiert von 180 bis (in seltenen Fällen) 300 Kilogramm. Die Schulter­höhe beträgt lediglich 105 bis 115 Zentimeter. Das ist ungefähr die Höhe eines ausgewachsenen Löwen oder dort, wo der Gürtel eines Mannes sitzt. Währenddessen reichen uns Kaffernbüffel bis zu den Schultern.
 
Seine Fährte misst etwa zehn mal zehn Zenti­meter. Eine gute Trophäe kommt auf gerade einmal 38 bis 45 Zentimeter Auslage. Die Deckenfärbung ist meistens ein leuchtendes Orange. Es verleiht ihm ein anmutiges Aussehen. Die Kühe sind im Vergleich zu den Bullen selten dunkel. Mit zunehmendem Alter werden die männlichen Vertreter hingegen beinahe schon schwarz. Die Lauscher sind und wirken recht groß. Zudem kennzeichnen sie Haar­büschel.

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Ganz rechts scheint sich ein Bulle zu befinden. Doch ist er jagdbar? Dies zu entscheiden, erfordert einiges an Erfahrung. Der PH schaut dabei auf die Hornbasis (Bild: Christophe Morio)
Die Brunft findet zu keinem bestimmten Zeitpunkt statt. Das ganze Jahr über können einzelne Kühe paarungsbereit sein. Alle zwei Jahre sorgen sie nach elf Monaten Tragzeit für Nachwuchs. 15 bis 18 Jahre können die Wild­rinder alt werden. Die Herden bestehen zumeist aus etwa sechs Stücken, können aber mitunter auch bis zu 20 zählen. Wie bei allen Büffeln herrscht innerhalb der Herde ein Matriarchat. Ältere solitär ziehende Bullen sind nicht ungewöhnlich. Sobald eine Kuh brunftig ist, zögern sie allerdings nicht, sich dieser Herde anzuschließen. Rein männliche Herden, wie bei anderen Unterarten, habe ich hier noch nie beobachtet.

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Black is beautiful! Die dunkle Deckenfärbung dieser eher jungen Stücke ist aber vermutlich einem Schlammbad geschuldet (Bild: Christophe Morio)
Äsung und Wasser sind am Äquator in Hülle und Fülle vorhanden, sodass diese Büffel relativ standorttreu sind und keine großen Wanderungen unternehmen. Während der Regenzeit sind sie jedoch sicht­barer, da sie dann in offenere Gebiete ziehen, auf Straßen, Lichtungen, an Seen und Flüsse. Sie sind recht abhängig von Wasser und Schlamm, in dem sie sich stundenlang suhlen, um sich vor Insekten zu schützen. Sie sind hauptsächlich nachtaktiv und äsen bis in die frühen Morgenstunden.
 
Bulle oder Kuh?
Beide Geschlechter tragen Hörner. Zur Unterscheidung fällt mein erster Blick auf die Morphologie des Stückes. Ein runder Körper, ein erhöhter Widerrist, das Gewicht vorne sowie ein ausgeprägter Träger verraten den adulten Bullen. Das Kurzwildbret, wenn sichtbar, und die Hörner sind weitere Indikatoren. Die Trophäe eines Rotbüffels anzusprechen, erfordert einiges an Erfahrung. Es ist selten, das Stück in Gänze in Anblick zu haben, da der Lebensraum voller Vegetation ist, die einem dabei im Wege ist. Das maximale Blickfeld endet bei 15 Metern. Danach reichen zwei Strohhalme, um das Wild unsichtbar zu machen.

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Hier zeigt sich, wie klein diese Büffel-Unterart wirklich ist. Kraft hat sie aber trotzdem genug, und zu unterschätzen ist sie nicht! (Bild: Christophe Morio)
Nachdem das Geschlecht zweifelsfrei angesprochen wurde, ist es notwendig, sich auf die Trophäe zu konzentrieren. Wie bei allen Büffel-Bullen bedecken die Hörner einen Teil der gesamten Oberseite des Schädels (anders bei den Kühen). Der berühmte Boss. Um das Alter des Stückes zu beurteilen, muss man auf die Hornbasis schauen. Wenn diese hart und schwarz ist, haben wir es mit einem etwa zehnjährigen Büffel zu tun. Wenn die Hörner abgenutzt und gut patiniert sind, dürfte er ungefähr 15 Jahre alt sein.
 
Das sportliche Ziel der Jagd ist es, ein Exemplar dieser Altersklasse zu erbeuten! Doch solche Chancen haben Seltenheitswert. Im Hinblick auf die Schwierigkeit dieser Jagd und das Temperament dieses Wildes, ist das Erlegen eines ausgewachsenen Bullen bereits ein großer Gewinn.

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Oben: Die Büffelkuh sucht Abkühlung im Wasser. Ihr rechtes Horn scheint ebenso in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein, wie ihr rechter Lauscher. Ob es eine innerartliche Auseinandersetzung war? (Bild: Christophe Morio)
Von einer guten Trophäe kann gesprochen werden, wenn die Auslage mindestens 40 Zentimeter misst. Und so „klein“ die Trophäe auf den ersten Blick erscheinen mag, so mühsam ist sie zu erbeuten. Sie gehört definitiv zu den schwierigsten im modernen Afrika. Die Gründe dafür: Zum einen ist es in dem dichten Lebensraum sehr aufwendig, diese Wildart überhaupt in Anblick zu bekommen. Und selbst wenn, ist es auf die kurze Distanz eine echte Herausforderung, ihrer habhaft zu werden. Zum anderen erschweren der geringe Bestand (etwa 70.000 Stück) sowie die feinen Sinne dieses Wildes dessen Erlegung. Ich denke, dass pro Jahr im Kongo und in Kamerun zusammen nicht mehr als 15 Stück unter Führung und mit vorhandener Lizenz erbeutet werden.
 
Gefährliche Jagd
Die Jagd auf den Waldbüffel ist eine der berauschendsten Jagden, die man auf diesem Kontinent erleben kann. Man sollte sich nicht vom Miniatur-Format dieses Wildes täuschen lassen. Es ist vorsichtig, schnell und auch streitsüchtig. Ein groß­artiger Gegner, mitunter aber auch gefährlich. Aufgrund der Waldumgebung, in der die kleinen Wildrinder ihre Fährte ziehen, dringen Jäger in ihre „Sicherheitszone“ ein. Das löst häufig den Selbstverteidigungs-­Mechanismus aus − und das bedeutet pure Aggression!

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Eine größere Herde Rotbüffel beim Bad im kühlen Nass. Nur Kühe und Kälber, oder ist auch ein Bulle dabei? (Bild: Christophe Morio)
In der Regel wird das Wild − ebenso wie der Bongo − auf der Fährte bejagt. Ich benutze keine Hunde, da ausgewachsene Bullen sich ihnen nicht stellen. Außerdem packen sie sich die Kälber, wenn sie auf eine Herde treffen. Zudem werden sie häufig geschlagen, was mitunter auch zu deren Tod führt. Lediglich für die Schweißarbeit finden sie bei mir Verwendung. Ich betrachte diese Jagd durchaus als gefährlich. Unsere Waffen sind daher bei jedem Pirschgang für alle Fälle geladen und gesichert. Für die Fährtenarbeit lassen wir uns Zeit und machen immer wieder Pausen, um zu verhören.
 
Diese kleinen Büffel schleichen sich mitunter an unerreichbare Orte. Auf dem Weg dahin hinterlassen sie Tunnel, durch die wir auf allen Vieren nur kriechend vorankommen. Ganz zu schweigen von undurchdringlichen Dickichten, wo große Blätter dafür sorgen, dass die Sicht gleich Null ist.

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Die „grüne Hölle“ von oben. Hier zeigt sich, warum es so schwierig ist, einen (reifen) Rotbüffel zu erbeuten (Bild: Christophe Morio)
Wenn Kontakt zu einer Herde besteht, ist der Ruf eine gute Möglichkeit. Wird ein Kalb in Not nachgeahmt, kann das diese Wild­tiere aufhalten. Mitunter funktioniert es, manchmal spüre ich aber auch, dass das Gegenteil der Fall ist. Und dann werden aus Jägern Gejagte! Für diesen Fall sollte man vorbereitet sein. Die .375 H & H ist das Minimal-Kaliber, das bei dieser Jagd notwendig ist. Besser aus meiner Sicht: eine .416 Rigby oder ein noch größeres.

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Die Pygmäen erweisen sich als geschickte Jäger und Tracker. Der vordere hat Beute über der Schulter (Bild: Christophe Morio)
Der Waldbüffel kommt im gesamten Kongo vor. Er ist auch in den Savannen- Gebieten an der Grenze zu Gabun anzutreffen. Die Wilddichte ist dort trotz des ins­gesamt eher geringen Bestandes und der Wilderei gut. Die Jagd in den Savannen-­Gebieten ist aufgrund der höheren Sichtbarkeit einfacher. So kann man das Wild bereits aus der Ferne entdecken. Aufgrund des hügeligen Geländes ist es aber dennoch eine Herausforderung, ans Wild heranzukommen.
 
Glückstag im Wald
Im Mai 2022 hat die Jagdsaison gerade erst begonnen. Wir warten auf Regen. Der Klima­wandel ist selbst im tropischen Afrika angekommen! Straßen und Salzlecken sind komplett trocken. Am Morgen des vierten Jagdtages der Safari haben wir immer noch keine Bongo-Fährten gefunden. Gegen 9 Uhr in der Früh führe ich uns zu einem neu entdeckten See, in der Hoffnung, dort Sitatunga oder Büffel anzutreffen.

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Wie alle Wildrinder lieben auch Waldbüffel das Schlammbad. Es schützt vor lästigen Insekten (Bild: Christophe Morio)
Bereits recht nah am Wasser, vernehmen wir das plätschernde Geräusch von Wild, das dort unterwegs ist. Vorsichtig und langsam nähern wir uns dem Nass und verlassen die schützende Vegetation. Der Anblick überrascht. In der Mitte des Sees haben wir vier Büffel in Anblick, die dort Wasserpflanzen äsen. Gerade einmal 25 Meter trennen uns vom Wild. Zwei Kühe und deren Kälber sichern in unsere Richtung. Dann entdecken wir auf einmal einen fünften Büffel. Rinnend taucht er aus der Vegetation inmitten des Sees auf! Es wirkt fast surreal, wie eine Vision. Lediglich das Haupt des Stückes ist über dem Wasser zu sehen. Ein guter Bulle!
 
Kanonade am See
Wir müssen schnell sein, denn die Herde ist bereits auf der Flucht. Der erste Schuss des Jägers trifft das Wasser. Die zweite Kugel trifft ihn etwas weit hinten. Doch als er − im seichteren Wasser − flüchtig wird, lässt ihn der dritte Schuss am Rande des Sees zu Boden gehen.

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Die Regenzeit spielt den Jägern bei der Jagd auf Rotbüffel in die Karten. Nun verlassen sie die dichte Vegetation und nehmen offenere Flächen an (Bild: Christophe Morio)
Wir nähern uns dem halb im Wasser liegenden Wild. Das Vorankommen ist schwierig, da wir immer wieder bis zur Mitte der Oberschenkel im Schlamm versinken. Plötzlich, im Bruchteil einer Sekunde, wird der Büffel wieder hoch und vom Wald verschluckt. Er schien verendet. Doch so kann man sich täuschen!
 
Wir warten eine Stunde, bevor wir der Schweißfährte folgen. Dass diese in Richtung einer beinahe undurchdringlichen Vegetation geht, war zu befürchten. Die Idee, diesem kranken Wild in solch einem Dickicht zu folgen, ist ohnehin höchst diskutabel. Zum Glück haben wir unsere Hunde im Auto, die wir nun zunächst einmal holen. Als wir sie schnallen, dauert es nur wenige Sekunden, bevor wir keine 15 Meter vor uns giftigen Standlaut vernehmen.

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Der Bulle flüchtet aus dem kleinen See. Mit der letzten Kugel bricht er zusammen. Doch das soll noch nicht das Ende der Jagd sein (Bild: Christophe Morio)
Dann startet der Büffel zu einer wilden Flucht. Er hinterlässt eine deutliche Schneise in der Vegetation, gefolgt von den Hunden, die ihn nach etwa 150 Metern erneut binden. Zusammen mit den beiden Trackern nähern wir uns mit der gebotenen Vorsicht langsam dem kranken Büffel. Von Baum zu Baum, Schritt für Schritt, von einer Liane zur nächsten. So lange, bis wir nur noch ein Dutzend Schritte vom Bail entfernt sind. Und dort erkennen wir nicht viel mehr als einen dunklen Schatten in der Vege­tation. Dem Kranken entfahren warnende, tiefe, fast schon beängstigende Laute. Immer wieder nimmt er den einen oder anderen Hund an.

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Der Urwald ist voller Tücken. Hier angeschweißtes sowie wehrhaftes Wild nachzusuchen, ist nichts für zart besaitete Jäger (Bild: Christophe Morio)
Irgendwann ist endlich ein sicheres Schussfenster auszumachen, in dem der Büffel seinen Träger präsentiert. Das Geschoss der .416 Rigby leistet ganze Arbeit und lässt den Kämpfer an Ort und Stelle zusammenbrechen. Es beendet die gefährliche Nachsuche, die mehr als eine Stunde gedauert hat und bei der Gott sei Dank niemand verletzt wurde.
 
Schweißgebadet und erschöpft setzen wir uns neben unsere Beute. Angst und Anspannung fallen ab. Es wird still unterm Blätterdach. Robert, mein Chef-­Pygmäen-Tracker, ist der erste, der die Stille durchbricht, während er seine Zigarette raucht: „Heute werde ich sein Herz essen!“

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Nach einer aufregenden und gefähr­lichen Nachsuche kam dieser Büffel letzten Endes zur Strecke. Weder die Hunde noch jemand vom Jagdteam wurden verletzt (Bild: Christophe Morio)
Zum Glück sind nicht alle Jagden auf dieses Wild derart aufregend. Doch es ist immer dieses kleine bisschen Angst, das sich durch ein flaues Gefühl im Magen bemerkbar macht. Das ist es, was unsere körperlichen und geistigen Fähigkeiten verzehnfacht, um Träumen wie diesem vom Waldbüffel ein Ende zu setzen. Und ebendiese Jagden bleiben in Erinnerung. Von ihnen erzählt man anderen so gerne.
 
Kontakt
Der französische Professional Hunter Christophe Morio hat sich auf Zentral- und Westafrika spezialisiert. Länder wie Kongo, Benin, Kamerun, ZAR und Burkina Faso standen oder stehen noch in seinem Portfolio. Kontakt per E-Mail: Safaris.Morio@free.fr. PD

Autor: Christophe Morio