22.09.2024
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WUH
Ausgabe 18/2024
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12 Min

Jagdgesetz-Reform

Forstprimat bleibt

Mit einem neuen Jagdgesetz will die rheinland-pfälzische Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) das Jagdrecht fundamental ändern. Einem 1. Entwurf schlug erbitterter Widerstand von Bauern, Landräten und Jägern entgegen. Jetzt liegt 2. Entwurf vor. Der trifft Grundbesitzer und Jäger nicht minder. Heiko Hornung

Forstprimat bleibt

Bild: Shutterstock - KI Montage

Das Jagdrecht als Befugnis, sich herrenloses Wild anzueignen, ist untrennbar mit dem Grundeigentum verbunden. Jagdgesetze dienen daher v. a. dem Ziel, die Jagdausübung so zu regeln, dass ein artenreicher und gesunder Wildbestand in einem seinen natürlichen Lebensgrundlagen und den landeskulturellen Gegebenheiten angepassten Verhältnis entwickelt wird – so das Bundesjagdgesetz noch heute.

Seit Jahren wird versucht, mithilfe angeblich „moderner Jagdgesetzgebung“, das Jagdrecht vom Grundeigentum zu trennen, indem die entscheidenden Regelungsbefugnisse den Forstbehörden übertragen werden. Die letzten Versuche gab es in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Anstelle von Jagdgesetzen im eigentlichen Sinne werden Entwürfe vorgelegt, die im Grunde genommen Forstschutzgesetze sind. Unter dem Pämisse einen klimaresilienten Wald schaffen zu wollen, soll jegliche Entscheidungsbefugnis bei der Jagdausübung unmittelbar oder mittelbar den Forstbehörden zugewiesen werden. Jagdgenossen und Jagdpächter werden ebenso entmündigt, wie die bisher in den Landkreisen organisierten Unteren Jagdbehörden.

Das Einfallstor für Landesforsten in das subjektive Jagdrecht steht nahezu wortgleich wie im 1. Entwurf auch im 2.: „Die Jagd ist so auszuüben, dass die Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes in ihrer Vielfalt und auf den Jagdbezirk bezogenen Ausprägung durch Wildeinwirkung nicht beeinträchtigt werden (§ 5 I, 3).“ Ob dies der Fall ist, stellt die Untere Forstbehörde gemäß § 22 I durch eine forstbehördliche Stellungnahme, in der der Einfluss allen Schalenwildes (sprich: auch des Schwarzwildes) auf die Waldentwicklung ermittelt wird, fest. Die neu nach dem Entwurf zu kreierende Stellungnahme macht für jedwede Feststellung einer Beeinträchtigung den Weg frei. Da bereits schon heute Brombeere, Holunder und Ginster erfasst werden, ja sogar die durch Wildwechsel gestörte Bodenverkrautung bewertet wird, kann praktisch jedes Vorkommen von Schalenwild zu einer Gefährdung führen. Eine saubere Aufnahme, die Mäusefraß, Insektenbefall oder ähnliches differenziert, die eine genaue Aufschlüsselung nach Wildarten vornimmt, die auch Stressfaktoren des Wildes durch Besucher bewertet, erst recht forstliche Fehler bei der Anpflanzung ausnimmt, ist schon jetzt immer weniger zu finden. In Zukunft wird der Spielraum für die Feststellung von sog. Beeinträchtigungen nahezu unermesslich. Wer diesbezüglich eine Lehrstunde braucht, sollte nur einmal sehen, wie man mittels eines Verbissgutachtens ein Herrschaftsinstrument schafft, das über Jahre die Jäger in Bayern unter dem Slogan „Wald vor Wild“ an die Kandarre legt. Der Jagdpächter/Eigenjagdbesitzer hat sich auch gleich an den Kosten der Weiserflächen (§ 22 II) zu beteiligen. Im Wildschadensverfahren muss er auch bei Obsiegen die Kosten tragen, wenn wiederholt ein Mindestabschussplan aufgestellt wurde (§ 39 IV).
Wird nun eine solche Beeinträchtigung festgestellt, läuft die ganze Maschinerie an, die sich eine Behörde ausdenken kann – und hier sind die Eingriffsmöglichkeiten gegenüber dem 1. Entwurf sogar erweitert worden. Der geneigte Leser muss sich nur die Länge des § 21 „Abschussregelung“ anschauen, um zu erkennen, wie hier eingegriffen werden kann.

Bereits bei „Gefährdung“ ist eine Jagdkonzeption vorzulegen, die mit der Verpächterseite abzustimmen ist. Sie ist Bestandteil der jährlich abzuschließenden Abschussvereinbarung (§ 21 VII). Bei „erheblicher Gefährdung“ ist sie der zuständigen Behörde vorzulegen – will heißen, der Unteren Jagdbehörde, bei Rotwild der Oberen. Da bereits heute in das Muster der Abschussvereinbarung zahlreiche Vorschläge, für die es im Gesetz nicht den geringsten Anhalt gibt, mit aufgenommen worden sind, darf man gespannt auf das neue bürokratische Monster warten. Was passiert nun mit den Jagdkonzeptionen? Wer prüft deren Sinnhaftigkeit? Die angeblich unfähige Untere Jagdbehörde, bei Rotwild die ortsunkundige Obere Jagdbehörde? Die Jagdgenossen? Was passiert, wenn man sich auf eine Jagdkonzeption nicht einigen kann?

Bei erheblicher Gefährdung gibt es einen behördlichen Mindestabschussplan (§ 21, VII, 1), der anders als bisher, nicht mehr im Einvernehmen mit dem Kreisjagdbeirat festgesetzt wird. Auch ohne jegliche Gefährdung kann die zuständige Behörde die Wildbestandssenkung anordnen. Sie ist unabhängig von der Schonzeit zu erfüllen. Heißt: Die Schonzeit ist kraft Gesetzes aufgehoben (§ 24 I). Auf jeden Fall erfolgt dies bei wiederholtem Mindestabschussplan. Neben der sog. Polizeijagd und der bereits bestehenden Bußgeldgeldregelung ist auch die fristlose Kündigung des Jagdpachtvertrages geblieben.
Damit der Jagdpächter/Eigenjagdbesitzer auch spurt, bleibt es bei der im 1. Entwurf enthaltenen Regelung, wonach die Nichtbeachtung jeder behördlichen Anordnung bußgeldbewehrt ist. Nur zur Erinnerung: Beim 2. Bußgeld droht der Jagdscheinentzug. Erweitert wird der Sanktionskatalog jetzt durch das Recht der Verpächterseite, dem Jagdpächter „helfende Jagdgenossen“ zur Seite zu stellen.

Der Jagdpachtvertrag „soll auch Regeln zur Unterstützung der Abschusserfüllung von Schalenwild bei übermäßigem Wildschaden durch aktive Jagdbeteiligung befähigter Jagdgenossen umfassen; im Bedarfsfall kann auch eine Unterstützung durch Dritte vereinbart werden.“ (§ 16 VII) „Sollen“ heißt im Verwaltungsrecht „müssen“! § 18 des 1. Entwurfs mit Recht des Grundstückseigentümers, auf seiner Parzelle selbst zu jagen, wird nun also noch erweitert: Der einen Jagdschein besitzende Jagdgenosse darf im kompletten Revier kostenlos mitjagen. Das ist faktisch das Ende des Reviersystem mit seinen klar abgegrenzten Konturen.
Beim Hochwild wird die zutiefst wildfeindliche Einstellung nahezu unverhohlen geäußert. Dam- und Muffelwild sind außerhalb der Duldungsgebiete (§ 26) auszurotten. Darin lebt jetzt bereits nur ein Bruchteil der Art. Die bestehenden Hegegemeinschaften werden aufgelöst.
 
Auch dem Rotwild geht es an den Kragen. Anstelle der bisherigen Hegegemeinschaften werden Bewirtschaftungsgemeinschaften gebildet, deren vorrangiges Ziel die Vermeidung von übermäßigen Wildschäden (§ 15) ist. Die mitentscheidenden Jagdgenossenschaften können sich auf Sitzungen dabei übrigens (nur) durch waldbesitzende Jagdgenossen oder den Förster vertreten lassen (§ 15 III). Landwirte sind außen vor.

Um die Möglichkeit einer Hege mit dem Ziel eines nach Geschlecht und Alter wildbiologisch sinnvoll strukturierten Bestandes oder eine gleichmäßige Verteilung der Wildart (auch zum Zweck der Schadensvermeidung und der Prävention vor Seuchen) erst gar nicht zu ermöglichen, kommt der „Dreijahrespoolabschuss“, auf den jedes Revier uneingeschränkt zugreifen kann. Nur Hirsche der Klassen I und II sind ausgenommen (§ 21 III). Damit die Unteren Jagdbehörden, denen man offenbar nicht viel zutraut, sich damit nicht beschäftigen müssen, wird alles an die Obere Jagdbehörde verlagert. Diese erlässt auch die Mindestabschusspläne und kümmert sich um deren Durchsetzung – von Neustadt aus im gesamten Land!

In Sonderkulturen ist bei Rotwild ebenfalls der Totalabschuss vorgesehen (§ 21, V). Da Sonderkulturen auch Forstkulturen seltener oder bislang nicht im Jagdbezirk vorkommender Baumarten sind (§ 3, X ) und eine Baumart selten ist, wenn sie weniger als 2 % der Waldfläche des Jagdbezirks einnimmt, kann damit weitreichend auch in den Bewirtschaftungsgebieten das Rotwild ausradiert werden.

Dem Niederwild geht es nicht besser. Immerhin wurde erreicht, dass die Fallen- und Baujagd noch möglich ist, aber wieder mit weiteren bürokratischen Erschwernissen (§ 25 I 2 i, j). Der dringend gebotene Schutz von Bodenbrütern vor Prädatoren wird deutlich erschwert.
Die Hundeausbildung an der lebenden Ente wird verboten (§ 25 I 2, r). Die waidgerechte Jagd mit gut ausgebildeten Hunden etwa auf die Nilgans ad absurdum geführt.
Füttern und kirren wird grundsätzlich verboten. Um die Jäger nicht gleich aufzubringen, wird auf die in einer Verordnung angeblich kommende Ausnahme verwiesen. Verordnungen werden außerhalb der parlamentarischen Kontrolle erlassen und sind daher auch jederzeit wieder änderbar. Dass der Elterntierschutz wieder hergestellt wird, kann somit genausowenig wie die Wiederaufnahme der Begriffe „Hege“ und „Waidgerechtigkeit“ ins Gesetz darüber hinwegtäuschen, dass ein verringerter Wildbestand wichtiger ist, als ihn artenreich und gesund zu erhalten.

Um den Jagdgenossenschaften, an denen ja die im Gesetz offen in den Hintergrund tretenden Landwirte auch maßgeblich beteiligt sind, nicht allzu viel Spielraum zu gewähren, werden Details von Jagdpachtverträgen gleich mitgeregelt. Dazu gehört die bereits oben erwähnte Mitjagdbefugnis. Doch es gibt noch mehr: Wann darf der Jagdpächter mindern? Eigentlich eine Frage des allgemeinen Vertragsrechts. Bei Windrädern oder Photovoltaikanlagen in seinem Revier nicht einmal dann, wenn dadurch die Möglichkeit der Jagdausübung erheblich eingeschränkt wird. Man muss ihm kündigen, wenn der Abschuss nicht erfüllt ist. Das alles könnte ein auf Freiheit und Selbstverantwortung bauender Gesetzgeber durchaus den Vertragsparteien überlassen. Der Kreisjagdmeister wird durch einen mit deutlich anderen Funktionen versehenen Kreisjagdberater ersetzt. Letztlich spielt er genausowenig wie der neu zu bildende Kreisjagdbeirat noch eine Rolle, denn ihm werden keine Kompetenzen zugewiesen. Auch so stärkt man die Macht der Forstbehörde.
 
 

Interview mit dem Präsidenten des LJV-Rheinland-Pfalz Dieter Mahr


WuH: Der LJV sprach im Vorfeld des 2. Entwurfes von einer Umkehr des Ministeriums. Nach wie vor ist das Primat des Forstes über die forstbehördliche Stellungnahme und andere Gesetzesvorschriften aber gegeben. Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

Dieter Mahr: Eine Umkehr ist kein Aufgeben. Wir stellen fest, dass der staat liche Einfluss an viele Stellen zurückgedrängt worden ist, sei es bspw. durch die Beibehaltung der Abschussvereinbarung, durch die Jagdkonzeption zwischen Pächter und Verpächter oder durch den Wegfall automatischen Verwaltungszwangs. Die forstbehördliche Stellungnahme gibt es schon heute. Sie ist ein Problem, und sie würde in ihrer geplanten Gestalt ein Problem bleiben. Deswegen fordern wir und haben es auch so artikuliert: eine transparente Ausgestaltung durch eine Verordnung und nicht durch Verwaltungsvorschrift, die Ausrichtung am waldbaulichen Betriebsziel des Eigentümers sowie eine rechtliche Überprüfbarkeit im Verwaltungsrechtsweg.


WuH: Trägt der LJV diesen Entwurf mit? Wenn nein, welche Maßnahmen wird der LJV jetzt ergreifen?

Dieter Mahr: Nein, wir tragen diesen Entwurf nicht mit. Der Entwurf ist weder ein Verhandlungsergebnis noch ein ausgehandelter Kompromiss zwischen Ministerium und LJV. Der 2. Entwurf ist ein Arbeitsergebnis des Ministeriums unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus dem Beteiligungsverfahren. Der LJV hat in diesem Verfahren die Interessen des Wildes und der Jägerschaft klar vertreten. Unsere Forderungen wurden mal mehr, mal weniger berücksichtigt bzw. umgesetzt. Dort, wo wir bislang nicht erfolgreich waren, werden wir unsere Ziele und Forderungen weiter verfolgen. Zunächst im weiteren Verfahren, aber gegebenenfalls auch über das Verfahren und über die laufende Legislaturperiode hinaus. Über unsere geplanten Maßnahmen werden wir nicht im Vorfeld öffentlich berichten.


WuH: Das Ministerium hat sich in dem Entwurf weitreichende Ermächtigungen für Verordnungen erteilt, die nicht mehr durch das parlamentarische Verfahren laufen müssen. Wie werden Sie darauf reagieren?

Dieter Mahr: Schon im Vorfeld des 1. Entwurfs gab es nach unseren Informationen die politische Absprache bzw. Zusage innerhalb der Landesregierung, dass Gesetz und Verordnung gemeinsam entwickelt werden, damit die Abgeordneten in Kenntnis der geplanten Verordnung über das Gesetz entscheiden können. Wir fordern, dass diese Zusage eingehalten wird. Es darf hier weder eine ,Black-Box‘ noch einen Blanko-Scheck geben. Der Parlamentsvorbehalt und der Respekt gegenüber den demokratisch legitimierten Abgeordneten gebieten es, dass das MKUEM auch in Bezug auf die Landesjagdverordnung die Karten auf den Tisch legt. Hierbei versteht es sich von selbst, dass die betroffenen Verbände und damit auch der LJV in die Erarbeitung der Verordnung einzubeziehen sind. Ansonsten droht spätestens mit der Vorlage der Verordnung ein neuer Sturm der Entrüstung.

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Dieter Mahr, Präsident des LJV Rheinland-Pfalz. (Bild: Bernd Helbach)


WuH: Bleibt es bei der Ablehnung oder wo muss das Eder-Ministerium noch liefern, damit der LJV damit leben kann?

Dieter Mahr: Wir sind nicht zufrieden und können auch mit dem 2. Entwurf nicht leben. Nach wie vor haben wir deutliche Forderungen:
Die Landesjagdverordnung muss parallel zum Gesetz entwickelt und verabschiedet werden, weil sich die ganze Tragweite der Änderungen erst im Zusammenspiel mit der Verordnung ergeben. Die Bewirtschaftungsgemeinschaften brauchen effektive und wirksame Mittel zur Selbstverwaltung.
Die Aufsicht über die Bewirtschaftungsgemeinschaften muss bei der Unteren Jagdbehörde bleiben. Nur so kann sachgerechtes Behördenhandeln vor Ort sichergestellt werden. Die Verpoolung von Abschüssen innerhalb der Bewirtschaftungsgemeinschaften muss einjährig erfolgen, mit Beibehaltung der Teilabschusspläne für das weibliche Wild sowie der Möglichkeit und Verpflichtung zur Anordnung von Mindestabschussplänen durch die Hegegemeinschaft, um kurzfristig auf Dynamiken reagieren zu können.

Die Anordnung von Mindestabschussplänen muss weiterhin unter Beteiligung des Kreisjagdbeirats erfolgen. Verantwortungsgemeinschaften vor Ort sind zu stärken.
Die Ausgestaltung der fachbehördlichen Stellungnahmen muss mind. auf Ebene einer Landesverordnung erfolgen. Das schafft Transparenz und Rechtssicherheit für die Betroffenen. Und sie müssen justiziabel ausgestaltet sein, um willkürliches Behördenhandeln auszuschließen. Außerdem muss der Maßstab für die forstbehördliche Stellungnahme alleine das waldbauliche Betriebsziel des Eigentümers bleiben. Das Verbot der „lebenden Ente“ und Einschränkungen bei der Fallenjagd lehnen wir ab.

Die Fragen für WILD UND HUND stellte Heiko Hornung
 

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(Bild: )

Autor: Heiko Hornung