30.06.2023
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DJZ
Ausgabe 06/2023
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7 Min

Wildkühlung

Ganz, nackig oder im Vakuum?

Nach dem Schuss beginnt der Weg zum Lebensmittel. Wir vergleichen die drei grundsätzlichen Arten der Wildkühlung miteinander.

Ganz, nackig oder im Vakuum?

Bild: Peter Diekmann

Ein Schmalreh liegt, die Freude ist groß. Doch bis es endlich auf dem Teller landet, wartet noch einige Arbeit auf den Weidmann. Bei der Frage nach der richtigen Art der Wildkühlung scheiden sich die Geister. Nicht nur bezüglich der Länge der Fleischreifung, sondern auch der Art. Grundsätzlich hat der Jäger die Möglichkeit, das Stück Wild nur aufzubrechen und mit der Decke in die ­Kühlung zu hängen. Oder er schlägt ­­es direkt nach dem Aufbrechen aus der Decke und lässt es „nackig“ reifen. ­Die dritte Möglichekit ist, das Stück sogar unmittelbar zu zerwirken, einzuvakuumieren und es dann im Vakuumbeutel reifen zu lassen. Doch welche ­Methode ist die beste?


Wild in der Decke reifen lassen


Der Klassiker. Sicherlich wird diese Art der Wildkühlung von der Mehrzahl der Jäger praktiziert. Das oder die Stück/e werden nach dem Erlegen sauber aufgebrochen, ausgespült und in die Kühlzelle gehängt. Nach der Fleischreifung wird das Stück aus der Decke geschlagen und anschließend zerwirkt sowie einvakuumiert.
Durch das in-der-Decke-lassen vertrocknet nur ein minimaler Fleischanteil, wurde zudem geringelt ist der Verlust völlig irrelevant. Außerdem ist der Aufwand direkt nach dem Erlegen minimiert. Besonders praktisch ist dies, wenn das Stück spät abends erlegt wurde und der Jäger gerne in die Federn möchte. Zu bedenken ist allerdings, dass die zunächst eingesparte Zeit dann in den nächsten Schritten wieder oben drauf kommt. Die Decke ist die natürlichste „Verpackung“ für das Wildbret. Wo sie ist, kommen wenig Keime hin. Allerdings hält sie viel Feuchtigkeit, was sich wiederum negativ auf die Keimentwicklung auswirkt. Wer Wild im Ganzen verkaufen möchte, wird es in der Decke belassen. Zum einen aus rechtlichen Gründen. Zum anderen zwecks der einfachen Abrechnung.

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Größere Strecken werden zwecks Aufwands meist in der Schwarte gekühlt (Bild: Peter Diekmann)
Der Käufer sieht direkt, was er bekommt und bezahlen muss. Muss aufs „nackige“ Stück noch ein „Decken- oder Schwartenzuschlag“ erhoben werden, der vor allem beim Schwarzwild einen hohen Anteil am Gesamtgewicht ausmacht, führt dies beim Käufer schnell zu ­Verwunderung. Ein Nachteil dieser Methode ist, dass sämtliche Insekten, Zecken, Griebel­mücken, Hirschlausfliegen usw. mit in die Kühlung wandern. Sie verbleiben zwar in aller Regel direkt in der Decke, haben aber eigentlich nichts in der Nähe eines Lebensmittels verloren. Das aus-der-Decke-schlagen ist außerdem bei durchgekühltem Wild ungleich schwieriger als bei noch warmem.
 
Vorteile:
• geringer unmittelbarer Aufwand
• kein Antrocknen des Fleisches
• einfacher Verkauf ganzer Stücke

Nachteile:
• höherer Aufwand beim ­aus-der- Decke-schlagen
• Insekten bleiben während Reifung am Wild


Wild ohne Decke


Diese Methode wird von jagenden Metzgern besonders häufig angewendet. Kein Wunder, schließlich wandert in der professionellen Fleischverarbeitung grundsätzlich alles „nackig“ in die Kühlung. Das Prinzip ist einleuchtend: Die Decke des Wildes beherbergt jede Menge Mikroben sowie Dreck, der durch das Bergen hineingelangt ist. Das soll aus dem Kühlhaus ferngehalten werden. Auch die Zerstörung durch den Schuss kann direkt begutachtet, Hämatome großzügig weggeschärft werden. Das Wild kommt damit einfach sauberer in die Kühlung. Auch das aus-der-Decke-schlagen bzw. Abschwarten eines frisch erlegten Stücks macht regelrecht Spaß, so einfach geht es von der Hand. Die Oberfläche des Wildes trocknet während der Reifung, es bildet sich eine feste, pergamentartige Oberfläche. Dieses trockene Gewebe macht es Keimen maximal schwer, sich zu vermehren. Doch was für den Metzger funktioniert, muss nicht der richtige Weg für den ­Jäger sein. Das Schlachtvieh ist im ­Vergleich zum deutschen Durchschittsreh geradezu riesig. Trocknet hier eine oberflächliche Schicht Fleisch an, ist der Verlust relativ gesehen ungleich geringer. Viele Jäger berichten, dass vor allem beim Rehwild zu viel wertvolles Wildbret durch diese Methode verloren geht. Außerdem muss die trockene Oberfläche in einem weiteren Arbeitsschritt entfernt werden.
Weiterhin unterscheiden sich professionelle Kühlungen in den meisten Fällen von denen in Wildkammern. Sie regulieren die Feuchtigkeit sehr genau und sind auf diese Art der Fleischreifung ausgelegt.

 

Vorteile:
• keine Zecken/Insekten in der Kühlung
• warmes Wild lässt sich leichter aus der Decke schlagen
• direktes Entfernen von Hämatomen möglich

Nachteile:
• Fleischverlust durch oberflächliches Trocknen
• Trockenstellen müssen entfernt werden


Reifen im Vakuum


Viele Jäger haben diese Methode nicht unbedingt auf dem Radar, doch in gewissen Situationen ist sie ganz weit vorne. Vor allem wenn ein einzelnes schwaches Stück Wild erlegt wurde, hängt es in größeren Kühlräumen ziemlich einsam. Der Energieaufwand zum Kühlen eines größeren Raumes ist auch bei modernen Systemen nicht unerheblich. Es bietet sich daher an, das Wild direkt nach dem Aufbrechen aus der Decke zu schlagen, so zu zerwirken, wie man es weiter nutzen möchte und auch so einzuvakuumieren. Die große Kühlung kann dann aus bleiben, ein zerwirktes Reh passt locker in einen normalen Kühlschrank. Dort kann das Fleisch im Vakuumbeutel einige Tage reifen, bevor es eingefroren wird. Sämtliche Vorteile der Methode „ohne Decke“, wie einfaches Abziehen, sind auch hier vorhanden. Darüber hinaus ist aber alles in einem Schritt erledigt. Der Jäger muss nicht noch einmal ins Kühlhaus. Zudem können Aufbruch und Zerwirkreste in einem Rutsch entsorgt werden. Absolut praktisch. Ein Fleischverlust durch Trocknen findet nicht statt. Diese Methode eignet sich weniger für große Strecken. Im Sommer (nach z.B. Erntejagden) überhaupt nicht, die letzten zu verarbeitenden Stücke würden dann zu lange im Warmen hängen. Und auch wenn es kalt genug ist, kommt die „einmal hin – alles drin“-Methode bei mehreren Stück Wild an die Grenze des Machbaren, vor allem alleine. Der Aufwand ist hier logischerweise am größten, es wird ja alle Arbeit sofort erledigt. Dennoch, oft genug fällt bei einem Ansitz eben nur ein Stück. Dann ist diese Methode absolut zu empfehlen, falls nach der Jagd noch genügend Zeit ist. Für den Stromverbrauch ist es in jedem Fall optimal, der Haushaltskühlschrank läuft ohnehin.
 
Vorteile:
• in einem alles erledigt
• in kleinem Kühlschrank möglich
• kein Verlust durch Trocknen
• sämtlicher Abfall kann in einem Schritt entsorgt werden

Nachteile:
• weniger geeignet für große Strecken
• höchster Initialaufwand


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Direkt einvakuumiert reift das Fleisch. Es wurde sogar teilweise bereits verfeinert (Bild: Henrik Elbers)

 
 

Autor: Moritz Englert