09.08.2023
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RF
Ausgabe 04/2019
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14 Min

Praxis

Pelagisch auf Aal

Von wegen Grundfisch - Steve Reuther fängt dicke Aale gezielt im Freiwasser, sogar umittelbar unter der Oberfläche.

Pelagisch auf Aal

Bild: Steve Reuther

Schon seit meiner Kindheit zieht mich der Aal in seinen Bann. Auch wenn man heute schon viel mehr über diesen Fisch weiß, sind einige Rätsel zu seiner Lebensweise noch immer nicht gelöst. Als Kind war für mich das Nachtangeln auf Aal ein Mega-Ereignis, da die Fische mit Beginn der Dämmerung ihre Suche nach Nahrung begannen. Kinder mussten zu dieser Zeit normalerweise ins Bett, auch daher waren diese Erlebnisse etwas ganz Besonderes. Bis heute habe ich mir die fast mystische Stimmung beim Aalansitz erhalten.

Auch wenn Aale gelegentlich sogar mit Kunstködern überlistet werden, ist das Naturköderangeln natürlich die Erfolg versprechendste Methode und wird es auch bleiben. Die wohl gängigsten und bekanntesten Verfahren sind die Aalpirsch mit der Posen- und der Grundbleimontage. In beiden Fällen wird der Köder  vorzugsweise grundnah präsentiert. Nicht wenige Fische konnte auch ich so in meiner anglerischen Laufbahn erbeuten.


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Die Stimmung beim Aalansitz ist eine ganz besondere. (Bild: Steve Reuther)

Beim Hechtangeln mit Köderfisch und Pose hatte ich allerdings im Laufe der Jahre mehrfach merkwürdige Erlebnisse. Ich bekam Bisse auf meine im See treibende Posenmontage, die ich einfach nicht verwandeln konnte. Bei der genauen Betrachtung der Köderfische zeigten sich auch keine richtigen Bissspuren. Die Köfis wirkten eher gequetscht. Und diese Attacken erfolgten ausschließlich in den Dämmerungsstunden bei Sonnenunter- oder Sonnenaufgang.

Mit der Zeit keimte in mir der Verdacht, dass es sich um Aale handeln könnte, die Gefallen an den Köfis hatten. Aber Aale im Freiwasser, und dazu noch nahe der Oberfläche? Das erschien mir dann doch etwas abwegig. Zunächst verfeinerte ich meine Hechtmontage. Kleinere Köfis und kleine-re Haken sollten helfen, das Rätsel even-tuell zu lösen. Irgendwann hielt ich dann zu meiner Überraschung doch einen Aal als Beifang beim Hechtangeln in den Händen. Das musste nun natürlich überprüft werden. Ich probierte herum, und auch Freunde experimentierten ein wenig mit Montagen, um die Aale eventuell im Freiwasser zu überlisten. Meine ersten einfachen Versuche absolvierte ich nebenbei mit einer simplen Posenmontage, die ich vom verankerten Boot aus treibend sich selbst überließ. Natürlich wählte ich als Köder Fischlein mit einer maximalen Länge von zehn Zentimetern. Diese sollten die Aale gut schlucken können. Ziemlich zügig erzielte ich dann auch das erste Resultat: Beim Angeln mit meinem Freund Atze konnte ich damals sogar gleich zwei schöne Aale um die 80 Zentimeter ins Boot holen. Nicht nur Atze war verblüfft, ich natürlich auch und gleichzeitig total happy über die beiden, richtig dicken Kilo-Aale.


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Ein typischer Breitkopf, selbst etwas größere Köfis sind kein Problem für ihn. (Bild: Steve Reuther)

Futterfisch im Freiwasser

Dass man die Aale immer ufernah und auch grundnah suchen sollte, gilt bei vielen Anglern ja bis heute als Fangfaustformel. Wir fischten an diesem Angeltag aber über einer Wassertiefe von 15 Metern, und die Aale bissen nur einen Meter unterhalb der Oberfläche. Man könnte meinen, dass dies ein gewässerspezifisches Phänomen ist. Spätestens aber durch die „Pelagic-Hysterie“ der letzten Jahre wissen wir, dass viele Raubfische ein Futterfischangebot im Freiwasser gezielt nutzen. Und Futterfische sind zumindest in der warmen Jahreszeit in sehr vielen Gewässern im Freiwasser zu finden. Warum sollten sich also nicht auch die Aale dort bedienen?

Bei den Aalen sind es ja die sogenannten „Breitköpfe“, die sich bevorzugt von Fischchen ernähren und entsprechend räuberisch in den Gewässern unterwegs sind. Kleine Fische zwischen fünf und zehn Zentimeter Länge werden von ihnen sehr gern genommen. Aber auch größeren Beutefischen gegenüber scheinen sie nicht abgeneigt, wenn ich an meine ersten Erfahrungen beim Hechtangeln zurück denke. Diese Raubaale suchen die Nähe der Futterfischschwärme im Freiwasser und versuchen etwas vom Kuchen abzubekommen. Wenn andere Räuber nachts auf Sparflamme oder Ruhepause geschaltet haben, können die Aale sich nahezu ungestört an den Lauben oder anderen Weißfischen bedienen.


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Dieser „Kollege“ patroullierte an der Schilfkante entlang. (Bild: Steve Reuther)

Wie bei der pelagischen Angelei auf Hecht und Zander suche ich daher auch beim Aalangeln zunächst immer erst nach Futterfischschwärmen. Ist einer gefunden, platziere ich das Boot in unmittelbarer Nähe. So habe ich die Möglichkeit, meine Posenmontagen - was die Richtung betrifft - beliebig auszulegen und dabei eventuelle Strömungen zu berücksichtigen.

Vom Ufer etwas schwieriger

Beim Uferangeln sieht das etwas anders aus, und wahrscheinlich haben die meisten von uns Anglern auch kein Boot. Natürlich habe ich auch oft vom Ufer aus geangelt. Dabei kristallisierte sich jedoch hinsichtlich der Posenmontage immer wieder ein Problem heraus: Selbst bei Windstille treibt die Montage immer ein wenig, und bei mehreren Ködern im Wasser sind Verhedderungen häufig vorprogrammiert.
Die Lösung ist jedoch denkbar einfach. Ich montiere vor der eigentlichen Posenmontage ein freilaufendes Blei auf der Hauptschnur. So sinkt die gesamte Montage nach dem Wurf zunächst bis auf den Grund. Dann aber, beim Nachlassen von Schnur, steigt die Pose aufgrund ihres Auftriebs wieder bis zur Oberfläche und die Montage ist an Ort und Stelle verankert. Je nach Posentyp und Wassertiefe kann das Aufsteigen unterschiedlich lange dauern.


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Scharf und sehr stabil, Steves Lieblingshaken beim Aalangeln. (Bild: Steve Reuther)

Anfänglich hatte ich beim Auftauchen der Montage das Problem, dass sich Hauptschnur und Vorfach des Öfteren verhedderten. Der Einsatz eines Anti-Tangle-Booms auf der Hauptschnur zur Befes-tigung der Pose sorgte hier aber für Abhilfe. Mit dem Anti-Tangle-Boom gibt es auch in absoluter Finsternis keinerlei Probleme. Und beim Auswerfen habe mir angewöhnt, das Ganze kurz vor dem Aufschlag abzustoppen. Damit ist zu hundert Prozent
gewährleistet, dass sich alles sauber und geordnet im Wasser befindet. Eine Einschränkung gibt es allerdings beim Ufer-angeln hinsichtlich der Wahl des Angelplatzes. Der Untergrund muss frei von Holz oder anderen Hindernissen sein. Ansonsten besteht die große Gefahr, dass die Pose beim Aufsteigen hängen bleibt.

Keine Kompromisse beim Aalgerät

Jeder Angler hat natürlich seine Vorlieben, was das Gerät betrifft. Um den Aalen pelagisch nachzustellen, habe ich inzwischen die für mich optimale Zusammenstellung gefunden. Bei der Wahl der Rute mache ich keine Kompromisse. Die Fische müssen oftmals auf Distanz gehakt werden, sodass eine Rutenlänge von 3,5 Meter und mehr top ist. Der Blank sollte auch ein entsprechend kräftiges Rückgrat besitzen. Ich fische daher vom Ufer aus Karpfenruten
mit einer Testkurve von drei Pfund.

Die passende Rollengröße ist für mich die 6000er Klasse. Mit diesem Spulendurchmesser erreiche ich nicht nur eine gute Wurfweite, ich kann auch sehr schnell den Kontakt zum Fisch aufnehmen und ihn so gegebenenfalls von Hindernissen fernhalten. Auf der Rolle habe ich relativ dicke monofile Schnur, so um die 0,45 Millimeter Durchmesser. Dies ist meiner Ansicht nach für einen erfolgreichen Drill unerlässlich, denn wir haben es in der Regel mit großen Fischen zu tun. Aale dieses Kalibers gehen nach dem Biss häufig auf Tiefe. Und wenn dann Kraut oder gar Holz zu finden ist, halten sie sich dort fest. Man muss schon ordentlich Druck machen, um die Fische dann wieder lösen zu können.


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Lockstoffe können nicht nur Aalen, sondern auch Zandern auf die Sprünge helfen. (Bild: Steve Reuther)

Dieser Umstand spiegelt sich zwangsläufig auch im Vorfach wider. Ich fische fast ausschließlich monofile Vorfächer mit einem Durchmesser von 0,42 Millimetern. Die Raspelzähne großer Aale haben hier keine Chance, und mit dieser Vorfachstärke kann ich auch festsitzende Schlängler ohne Schnurbruch noch gut lösen. Meine Standardlänge bei der Oberflächenmontage beträgt 100 Zentimeter. Im flachen Wasser passe ich die Länge des Vorfachs allerdings den Umständen an. So habe ich beispielsweise bei zwei Metern Wassertiefe den Köfi schon häufiger nur 30 Zentime-ter unter der Oberfläche angeboten und damit gut gefangen.

Beifänge wie Zander oder Welse sind bei meinen Vorfächern kein Problem. Aber auch wenn ich mit Hechten rechnen muss, verzichte ich auf ein steifes Stahlvorfach und verwende stattdessen Fluorocarbon. Gerade kapitale Aale sind vorsichtig und häufig sehr misstrauisch gegenüber Stahl. Das trifft übrigens auch auf die Präsentation des Köderfisches zu.

Der Köfi muss „schwimmen“

Die besten Erfahrungen habe ich mit dem Aufziehen des Köfis gemacht. Mithilfe einer Ködernadel kann ich den Haken so verstecken, dass der Aal beim Schlucken des Köders kaum etwas spürt. Auch kann ich den Haken dadurch so positionieren, dass er nach dem Schlucken des Köfis sicher fasst. Gut geeignet sind bespielsweise Dropshot-Haken. Diese sind wahnsinnig scharf und in der Regel etwas dicker. Sie biegen auch nicht auf, wenn der Aal sich fest-gesetzt hat und nur mit einem richtigen Kraftakt wieder frei zu bekommen ist. Bei mir kommen meistens „Bait Holder“ von Berkley zum Einsatz, die sind geschmiedet.

Ich versuche den Köderfisch immer in natürlicher Schwimmlage unter der Pose, also möglichst waagerecht, anzubieten. Meiner Erfahrung nach beißen die Aale auf senkrecht hängende Köderfische so gut wie nie. Das klingt etwas verrückt, ist aber so. Vermutlich gehen die Aale ihre Beute im Freiwasser von unten an und nehmen dabei die Silhouette der Futterfische wahr. Ein senkrecht hängender Köder passt dann nicht ins Beuteschema. Das waagerechte Anködern funktioniert mit der Ködernadel sehr gut. Man kann den Köfi natürlich auch ganz normal, etwa mittig im Rücken einhaken.


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Rotaugen sind so etwas wie Universalköder, sie werden immer wieder gern gommen. (Bild: Steve Reuther)

Wer möchte, kann seine Köderfische natürlich nicht nur optisch, sondern auch geruchstechnisch aufwerten. Meine Lieblingsdüfte sind „Nightcrawler“ und „Hering“. Insbesondere an leicht fließenden Gewässern wie Kanälen verwende ich gern diese Lockstoffe. Vergleiche mit zwei Ruten nebeneinander haben mir gezeigt, dass der „gespritzte Köderfisch“ dann fast immer besser fängt.

Stellenwahl mit Köpfchen

Vom Ufer aus ist es natürlich nicht so einfach, die Futterfische und damit die besten Angelstellen auszumachen wie von einem Boot mit Echolot. Dennoch habe ich hier einige Faustregeln. An Baggerseen zum Beispiel zählen steil abfallende Kanten zu meinen Lieblingsstellen. Nicht selten sind in drei Metern Entfernung vom Ufer bereits Wassertiefen von vier bis fünf Metern zu finden. Ist Schilfbewuchs vorhanden, platziere ich einen Köfi unmittelbar davor. Oftmals habe ich es erlebt, dass die Aale dort enlang patroullieren - wahrscheinlich auf der Suche nach Rotfedern. Lauben hingegen bevorzugen eher die Bereiche weiter draußen. Daher wird mein zweiter Köfi auch dort im Freiwasser angeboten.

Hat das Gewässer einen Badestrand, dann ist das für mich immer ein Hotspot. Wie andere Räuber realisieren auch die Aale sehr schnell, dass das Badegetümmel Futter aufwirbelt und sich die kleinen Fische an der reich gedeckten Tafel bedienen. Mit etwas Glück kann man am Rand von Badestellen selbst am Tage Aale fangen, ich hatte dieses Glück sogar schon mehrere Male. Erhebungen in Seen und auch in Fließgewässern sind ebenfalls immer einen Versuch wert.


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Es sind immer prächtige Raubaale, die im Freiwasser jagen. (Bild: Steve Reuther)

Viele Gewässer haben einen guten See- oder Teichrosenbestand. Dies sind klassische Aalmagneten. Das warme Flach-wasser und der weiche Boden locken sehr viele Nährtiere an. Im Sommer jagen die Aale dort auch schon tagsüber im Schatten der Schwimmblätter. Hier kann die Oberflächenmontage durchaus auch mit Krebsen oder Würmern beködert werden. Das ist aber natürlich jedem selbst überlassen.

Mit dem Köfi fische ich grundsätzlich immer gern an Stellen, wo Wasserpflanzen vorkommen und gleichzeitig tiefes Wasser in der Nähe ist. Diese Kombination bedeutet fast immer reichlich Nahrung, nicht nur für Aale. Meine Montage ist durchaus auch geeignet, um Zander zu überlisten. Diese gehen nachts ebenfalls gern im Freiwasser auf Beutezug. Und dabei scheuen sie sich auch nicht, in der obersten Etage zu rauben.

Die Montage im Detail

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Für Uferangler sind frei treibende Posenmontagen immer mit Risiken verbunden, diese ist verankert. (Bild: Steve Reuther)

Auf die Hauptschnur montiere ich zunächst ein freilaufendes Blei, meistens ein Tiroler Hölzl. Das Tiroler Hölzl gewährleistet auch bei weichem Boden, dass der Aal in alle Richtungen abziehen kann und das Blei kaum Widerstand erzeugt. Dann folgt der Anti-Tangle-Boom mit der Pose, ein Wirbel mit Snap und das Vorfach. Der Boom wird dicht vor dem Wirbel mit Bleischroten fixiert. Die Größe und Anzahl der Schrote hängt natürlich von der Tragkraft der Pose ab. Die Länge des Vorfaches bestimmt dann wie tief der Köfi unter der Oberfläche präsentiert wird. Für die oberflächennahe Präsentation kommen bei mir fast verbrauchte Knicklichter zum Einsatz. Sie glimmen nur noch, ein zu helles Licht könnte die Fische vergrämen. In hellen Nächten verzichte ich meistens auf die Posenbeleuchtung.

Autor: Steve Reuther