09.11.2023
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RF
Ausgabe 06/2023
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11 Min

RF Praxis

Plan B für Zander

Das Kunstköderangeln in Städten stellt den versierten Spinnfischer vor ungewohnte Herausforderungen. Überall lauern Hindernisse, und die Hängergefahr ist enorm. Es gibt aber Möglichkeiten, die Zander trotzdem verlustfrei aus ihrer Festung zu locken. Text & Fotos: Stephan Mohr

Plan B für Zander

Bild: Stephan Mohr

Immer wieder gerät man beim Angeln in Situationen, in denen dringend ein Plan B her muss, um an die Fische zu kommen. Wenn man das Gefühl hat, dass nichts zu funk- tionieren scheint, sollte man den gewohnten Pfad verlassen und sich Alternativen überlegen.

Ich selber fische häufig auf Zander an kleinen, flachen Kanälen in der Stadt. Hotspots sind hier natürlich die allgegenwärtigen Brücken. Leider ist unter den Stadtbrücken oft ein klassisches Jiggen kaum möglich, da dort einfach zu viel Unrat in Form von versenkten Einkaufswagen, Fahrrädern und neuerdings leider auch E-Rollern liegt. Viele Streetfisher aus Hamburg, Berlin und anderen Städten wissen, wovon ich spreche. Da ist man teils mehr mit dem Knüpfen neuer Vorfächer beschäftigt als mit dem Angeln. Solch ein Ködergrab befindet sich zum Beispiel unter einer meiner Lieblingsbrücken an der Hamburger Bille. Keine Ahnung, was da unten liegt. Vielleicht ein Bauzaun, der mittlerweile wie ein bunt geschmückter Weihnachtsbaum aussehen müsste. Natürlich habe ich es dort mit weniger hängeranfälligen Montagen wie dem Dropshot-Rig versucht und auch meine Zander damit gefangen. Leider bleibt aber auch dieses System regelmäßig hängen und reißt dann unweigerlich ab.

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Und wieder musste ein teuerer Wobbler dran glauben. Das Angeln an Brücken kann schnell ins Geld gehen. (Bild: Stephan Mohr)

Über das Hindernis hinweg

Aber wie komme ich nun an die Zander, die sich zwischen dem Unrat sichtlich wohlzufühlen scheinen? Die Lösung liegt nahe: Einfach im Dunkeln einen flachlaufenden Schwimmwobbler unter die Brücke feuern und mit sicherem Abstand über das Ködergrab hinwegführen. Das funktioniert in der Regel auch sehr gut. Leider ist unter manchen kleinen Brücken der Winkel vom Ufer so ungünstig, dass man früher oder später den Wobbler an die Brückenmauer wirft. Oft reicht schon eine kleine Unachtsamkeit und die Tauchschaufel ist hinüber. Besonders ärgerlich ist das bei teuren Modellen von 20 Euro und mehr. Zwischenzeitlich hatte ich auch mal einen Versuch mit Billigwobblern gewagt. Da lässt sich der Schwund etwas leichter verkraften. Doch diesen Versuch habe ich schnell wieder verworfen, weil solche Modelle für meinen Geschmack schlichtweg nicht gut genug laufen.

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Aus der Unterwasser-Halde gekitzelt: Stephan Mohr mit einem starken Brückenzander, den er mit einem unbeschwerten Gummifisch überlisten konnte. (Bild: Stephan Mohr)

Umdenken nötig

Inspiriert durch ein YouTube-Video kam ich auf eine eigentlich simple Idee, die mir beim ersten Versuch auch umgehend einen Brückenzander bescherte. Die kos-tengünstige Alternative zu Wobblern sind schlanke Gummifische, die man sonst auch zum klassischen Jiggen verwendet. Diese werden aber nicht an einem Jigkopf montiert, sondern an einem Offsethaken. In den Hakenschenkel wird jedoch zusätzlich ein kleiner Drilling eingehängt. Der unbeschwerte Gummifisch wird dann genau wie ein Wobbler im Zeitlupentempo unter der Oberfläche eingekurbelt. Dabei ist auch interessant zu beobachten, dass die Fische fast ausnahmslos an dem Zusatzdrilling hängen. Der Offsethaken dient lediglich zur Befestigung des Gummifisches.

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Voll inhaliert: Da der Köder beim Einsaugen kaum Widerstand bietet, kann der Drilling hervorragend im Fischmaul greifen. (Bild: Stephan Mohr)


Im Laufe der Zeit habe ich auch kleinere Modifikationen ausprobiert. Zum Beispiel mit ganz leichten Jighaken oder eingedrehten Spiralen, sogenannten Shallow Screws, in Kombination mit Stingerhaken. Das funktioniert zwar auch, aber die Va-riante mit Offsethaken lässt sich für diesen Zweck am besten im Zeitlupentempo führen.
Für die Montage wähle ich dickdrähtige Modelle, da der Gummifisch dadurch etwas stabiler läuft und sich beim Einho- len nicht auf die Seite oder den Rücken dreht. Wer den Köder eine Etage tiefer anbieten möchte, kann zusätzlich einen Nailsinker (kleine Metallspitzen) in den Bauch stecken oder spezielle Body Weights für Offsethaken verwenden.

Bei den Gummifischen muss man sich ein wenig durchprobieren. Nicht alle Modelle laufen bei dieser unbeschwerten Variante und der langsamen Einholgeschwindigkeit auch vernünftig. Gerade wenn wenig Strömung vorherrscht, so wie an meinen Stadtkanälen. Am liebsten habe ich es, wenn der Gummifisch knapp unter der Oberfläche läuft und nur das kleine Paddel am Ende des Köders verführerisch hin- und herschwänzelt. Das weit ausladende Bewegungsmuster von bauchigen Gummifischen ist mir etwas zu viel, diese Aktion würde ich eher zum gezielten Hechtangeln bevorzugen. Ein leichtes, dezentes Kippeln ist in meinen Augen genau richtig für die Zander.

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Schlanke Gummifische sind ideal für diese Technik geeignet. Ihr Lauf sollte nicht zu ausladend sein, ein leichtes Kippeln reicht oft bereits aus, um die Zander aus der Reserve zu locken. (Bild: Stephan Mohr)

In der Praxis

Der Vorteil von Brücken ist auch, dass dort die Nacht etwas früher beginnt als auf der freien Strecke. Dort ist es immer etwas dunkler und das Zanderangeln funktioniert auch schon vor der Dämmerung. Mit den am Offsethaken montierten Gummifischen komme ich auch viel weiter unter die Brücke als mit den Wobblern. Da ich keine Angst haben muss, meinen Köder zu beschädigen, kann ich beim Werfen voll durchziehen. Oft werfe ich auch mit Absicht gegen die Mauer oder den Brückenpfeiler, damit der Köder direkt entlang der Mauer absinken kann. Denn da stehen nicht selten auch die Räuber.

An den klassischen Wobbler-Spots entlang von Steinpackungen funktioniert diese Montage natürlich auch. Allerdings kommt es hier eher mal zu Abrissen, da es extrem flach sein kann. Mit einem schwimmenden Wobbler kann man bei Steinkontakt kurz stoppen. Dann steigt der Köder auf und kann nach kurzer Zeit weitergeführt werden. An solchen Stellen würde ich also auch eher beim Wobbler bleiben.

Die Montage

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Zunächst wird der dickdrähtige Offset-Haken durch den Kopf des Gummifisches gestochen. (Bild: Stephan Mohr)

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Nun wird der mit einem Stück Schrumpfschlauch versehene Drilling aufgezogen. (Bild: Stephan Mohr)

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Den Offset-Haken wie gewohnt durch den Bauch des Gummis stechen. (Bild: Stephan Mohr)

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Damit der Drilling beim Werfen nicht verrutscht, wird eine Hakenspitze leicht in den Gummi gepikst. (Bild: Stephan Mohr)

Damit der kleine Drilling sicher auf dem Schenkel des Offset-Hakens hält, schie-be ich zunächst ein Stück Schrumpfschlauch über das Drillingsöhr. Mit einem Feuerzeug wird der Schlauch im Anschluss vorsichtig erwärmt und dadurch fixiert. Den Wide-Gap Offsethaken zieht man wie üblich zunächst durch die Na- se des Gummifisches. Dann piekt man mit dem Haken durch das mit dem Schrumpfschlauch überzogene Drillingsöhr. Anschließend wird der Offset-Haken durch den Bauch des Gummifisches gestochen. Im Idealfall liegt die Hakenspitze flach auf dem Rücken des Gummis. Viele Modelle haben dort auch entsprechende Einkerbungen, die extra für Offsethaken gemacht sind, das ist natürlich besonders elegant. Den Drilling platziere ich hinten im Hakenbogen und steche eine Flunke leicht in den Gummi.

Der Sonderfall: Wenn ich mit etwas längeren Gummifischen angeln möchte, ziehe ich den Drilling nicht direkt auf den Offset-Haken, sondern schalte ein kurzes Stück Stahlvorfach dazwischen. Die Schlaufe des Stingers sollte so eng gewählt werden, dass sie nicht über den Widerhaken rutschen kann.

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Bei langen Modellen empfiehlt der Autor, zwischen Drilling und Offset-Haken ein Stück Stahlvorfach zu montieren. (Bild: Stephan Mohr)

Die Führung

Die Köderführung mit diesem System ist ähnlich simpel wie beim Zanderwobbeln. Auswerfen und ultra langsam einholen. Über die Rutenstellung können wir zusätzlich die Lauftiefe beeinflussen. Bei hoch aufgestellter Rute (11 Uhr) läuft der Köder deutlich flacher als mit abgesenkter Rutenspitze. Die Bremse sollte allerdings nicht zu fest eingestellt sein. Da die Bisse teils direkt vor den Füßen kommen, würde eine komplett geschlossene Bremse unweigerlich zu Schnurbruch oder Aussteigern führen. Hat man den Eindruck, dass der Gummifisch zu schwer ist und dadurch tiefer läuft als gewünscht, kann man die Montage mit schwimmendem Schaumstoff austarieren. Hierfür wird einfach ein Stückchen auf die Spitze des Offset-Hakens gezogen, und schon treibt der Gummifisch auf oder schwebt nahezu unter der Oberfläche.

Weniger ist mehr

Ein Kumpel hat mich letztens gefragt, ob ich nicht genügend Geld für eine neue Schnur habe, weil die Rolle nicht prall gefüllt ist. Das ist bei dieser Angelei aber gar nicht so entscheidend, ganz im Gegenteil. Einerseits muss ich nie weit werfen, andererseits wird die Schnur aufgrund der Leichtigkeit des Köders beim Einholen verhältnismäßig locker aufgespult. Bei einer randvollen Spule würde das beim nächsten Wurf schnell zur Perücke führen.

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Mit einem Stück Schaumstoff verleiht man dem Köder mehr Auftrieb. Da die Fische meistens am Drilling hängen, kann man den Schwimmkörper getrost auf den Offset-Haken schieben. (Bild: Stephan Mohr)

Pfiffiger Indikator

Zusätzlich sollte man vor das Stahlvorfach einen kleinen Stopper auf der Hauptschnur montieren. Gerade im Dunkeln kurbelt man schnell den Wirbel des Stahlvorfachs in den Spitzenring. Mit diesem kleinen Helfer können wir rechtzeitig mit dem Kurbeln aufhören und beschädigen nicht die Ringeinlage unserer geliebten Rute.

Autor: Stephan Mohr