28.06.2023
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JWW
Ausgabe 03/2023
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13 Min

Polen

Pommersche Pirsch

In Pommern lässt sich in wunderschöner Landschaft weidwerken. Rehwild gibt es zudem reichlich. Ideal für die erste Jagdreise.

Pommersche Pirsch

Bild: Moritz Englert

Wenn der Bock doch nur ein wenig weiter nach rechts zöge. Eigentlich ist alles perfekt: Die Waffe ruht sicher auf dem vierbeinigen Zielstock, der Bock steht breit. Aber die Häuser im Hintergrund lassen keinen Schuss zu. Endlich kommt Bewegung in die Sache, der Bock zieht nach rechts. Nach einer gefühlten Ewigkeit hat er die Häuser hinter sich gelassen, zieht jetzt mit gutem Kugelfang. Mein Herz pocht. Viele Böcke habe ich schon erlegt, doch keinen außerhalb Deutschlands. Jetzt verhofft der Recke, der Finger wandert zum Abzug, langsam erhöhe ich den Druck …
 


Spontane Fahrt


Eine Woche zuvor Mitte Juli 2022. Mich erreicht eine Nachricht von Kai-Uwe Kühl, dem Inhaber von K&K Premium Jagd: „Wir haben seit diesem Jahr ein neues Revier in Westpommern. Hast Du Lust, es Dir anzuschauen und dort auf Böcke zu jagen?“. Und wie! Das „i-Tüpfelchen“ meiner Arbeit für JAGEN WELTWEIT ist, dass es von Zeit zu Zeit die Möglichkeit gibt, im Dienste der Zeitschrift im Ausland zu weidwerken. Leider war mir das bislang verwehrt geblieben. Kurz nach meinem Einstand in der Redaktion Ende 2019 machte Corona Reisen für lange Zeit unmöglich. Umso größer ist nun im Sommer 2022 die Freude, endlich Gelegenheit zu meiner ersten Jagdreise überhaupt zu haben. Ich sage es frei heraus: Ich bin heiß wie Frittenfett! Und bereits wenige Tage später geht es mit dem Auto gen Osten. Nach rund acht Stunden sind Kameramann Ingo und ich am Ziel. Das Revier Trzciel liegt perfekt erreichbar nahe der Autobahn etwa 100 Kilometer östlich von Frankfurt Oder. Wir werden direkt von Kai-Uwe begrüßt, der unsere Jagdgruppe begleiten wird. Nach der Begrüßung geht es zum Einschießen der Waffen, was praktischerweise auf der Schießbahn direkt hinterm Haus erledigt werden kann. Ich muss einige Klicks am Zielfernrohr verstellen, da ich hier in Polen meinen geliebten Schalldämpfer nicht verwenden darf. Doch das ist schnell erledigt, und schon geht es los zur ersten Abendpirsch.
 

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Pommersche Pirsch heißt Jagen in wunderschöner Landschaft (Bild: Moritz Englert)


Jagen nach Lust und Laune


Zuerst zeigt mir Jagdführer Hubert bei einer „Gummipirsch“ ein bisschen vom Revier. Das muss ein wahres Reh-Eldorado sein, jedenfalls von der Struktur. Wald wechselt sich mit relativ klein parzellierten Feldern und Wiesen ab, immer wieder durchzogen von Hecken. Von Rehwild ist allerdings nichts zu sehen. „Zu früh“, sagt Hubert. „Die kommen erst gegen 21 Uhr aus den Einständen“. Hubert ist als Jagdförster in der insgesamt 14.000 Hektar großen Oberförsterei angestellt. Der sympathische Pole spricht hervorragend Deutsch, und es ist eine Freude, seinen vielen Geschichten rund ums Revier und die Jagd hier vor Ort zu lauschen. Neben der Oberförsterei steht auch noch die benachbarte Jagdgenossenschaft zur Verfügung, sodass auf insgesamt 17.000 Hektar nach Lust und Laune gejagt werden kann. Die Böcke erreichen hier keine Spitzentrophäen, sind aber dafür reichlich vorhanden. Daneben kann auch auf Schwarz- und Rotwild gejagt werden. Wir erreichen nun das erste Ziel. Eine Wiese mitten im Wald. Hier kennt Hubert einen guten Bock, der aber heute Abend durch Abwesenheit glänzt. Auch die nächsten Stellen bringen keinen Erfolg. Nur ein junger Rehbock und eine Ricke kreuzen unseren Weg. Wir kehren ohne Beute zum Jagdhaus zurück.

 


Bock im Morgentau


Der Abend wird länger als geplant. Bei guten Jagdgeschichten fließt das eine oder andere Bier, und ich komme erst weit nach Mitternacht ins Bett. Entsprechend zerknittert bin ich, als kurz nach 3 Uhr der Wecker klingelt. Doch die Vorfreude auf eine spannende Pirsch lässt mich schnell wach werden. Wir stellen das Auto am Waldrand ab und pirschen einen Weg ins Offenland entlang. Links eine Wiese, rechts ein Streifen aus Luzerne, dann ein Roggenfeld. Es wird langsam hell, und die Szenerie ist in leichten Bodennebel getaucht. Dieses Bild lässt einem das Herz aufgehen. Gleich darauf macht es sogar einen Hüpfer, denn ein Stück vor uns erhaschen wir eine Bewegung. Fernglas hoch: Es sind drei Stück Rehwild. Gebückt pirschen wir näher ran. Dann wird klar, was wir da in Anblick haben: Ein Bock treibt eine Ricke. Immer wieder wechseln sie Hexenringe ziehend zwischen Roggen und Wiese hin und her. Ein weiteres Stück Rehwild, ein Schmalreh, guckt sich das Treiben an. Es hat uns als einziges Stück weg, springt aber nicht ab. Ich stelle langsam den Zielstock auf und lege die Waffe auf. Durchs Zielfernrohr spreche ich den Bock an: brav mit dickem Träger. Der müsste passen. Das sieht offenbar auch Hubert so, denn er gibt ihn mir frei. Jetzt gilt es. Die Entfernung ist relativ weit, 180 Meter sagt der Entfernungsmesser. Doch die Auflage ist gut, ich fühle mich sicher. Aber die Häuser im Hintergrund lassen keinen Schuss zu. Und damit sind wir am Anfang dieser Geschichte. Der Bock lässt nun von der Ricke ab und zieht endlich nach rechts. Das Hintergelände ist frei. Der Finger legt sich auf den Abzug, und als der Bock verhofft, erhöhe ich langsam den Druck. Der Schussknall zerreißt die Stille des polnischen Morgens. Der Recke zeichnet gut und geht in tiefer Flucht einige Meter ab, bevor er in einen Graben stürzt und nicht mehr auftaucht.
Ich habe soeben meine erste Beute im Ausland gemacht und könnte glücklicher nicht sein. Die Szenerie ist einfach magisch. Als ich meinen Bock in Besitz nehme, wirft die Sonne ihre ersten Strahlen übers Land. Jägerherz, was willst du mehr?!
 

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Pommernbock im ­Sonnenaufgang (Bild: Moritz Englert)


Fürs Blatten zu früh


Nach einem ausgiebigen Frühstück, das an diesem Morgen besonders gut schmeckt, sowie einer kleinen Mittagsrast, geht es am Nachmittag wieder ins Revier. Hubert führt uns dieses Mal an eine Stelle, an der sich ein Schilfgebiet mit Wiesen und Hecken abwechselt. Im Hintergrund sind überall Kraniche zu hören, und auch das erste Rehwild lässt nicht lange auf sich warten. Aus dem hohen Gras wird plötzlich ein Bock hoch, keine 50 Gänge vor uns. Er hat eine abgebrochene Stange und wäre ein interessanter Abschussbock. Doch ich schaffe es nicht einmal, den Zielstock aufzustellen, bevor er abspringt. Also weiterpirschen.
Es geht entlang der Hecke bis zu dessen Ende, wo das Schilf anfängt. Dort stellen wir uns auf, und ich beginne zu blatten. Allerdings steht auf die Fieplaute nur eine Ricke zu. Im Laufe der Jagd werden wir es immer wieder probieren, doch bis auf den einen oder anderen Jungspund will es nicht so richtig klappen. Es ist Ende Juli und scheint einfach noch etwas zu früh zu sein, die Böcke stehen überwiegend bei den Ricken. Doch das soll uns nicht weiter stören, es bleibt ja noch die Pirsch. Neben zwei jungen Rehböcken sehen wir auch einen, den ich besonders interessant finde. Er hat ein auffällig graues Haupt und ist dabei, eine Ricke auf der Wiese zu treiben sowie zu beschlagen. Völlig ohne Deckung sehen wir aber davon ab, eine Pirsch zu versuchen. Stattdessen will Hubert am nächsten Morgen noch einmal hier her, um es auf den Bock zu versuchen.
 

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Das Blatten will Ende Juli noch nicht so richtig klappen. Die älteren Böcke stehen bei den Geißen, und so stehen nur einige Jungspunde auf die Fieplaute zu (Bild: Moritz Englert)


Kaltstart

 

Gesagt, getan. Wir steuern den Bereich des gestrigen Abends im ersten Licht an. Bis dorthin kommen wir allerdings nicht. Kurz nachdem Hubert seinen alten Mitsubishi L200 von der Landstraße auf einen Feldweg gelenkt hat, macht der plötzlich schlapp. Der Motor geht aus, und wir stehen da. Die Stimmung ist bei Hubert erwartungsgemäß im Keller. Doch was hilft es, wir begeben uns also per pedes in die Richtung, wo wir den Bock von gestern vermuten. Zuerst müssen wir jedoch eine weite Wiese überqueren, die, wie auch schon am Morgen davor, in leichtem Nebel liegt und der Szene so etwas Mys­tisches verleiht. Wir ver­suchen es am Rand noch einmal mit dem Blatter. Bereits nach den ersten Lauten steht direkt ein Bock zu. Es ist ein wunderbares Bild, wie das Reh sich langsam aus dem Nebel abzeichnet und flott auf uns zu zieht. Doch der Bock ist jung, und so genießen wir einfach den Anblick, während der junge auf 50 Meter an uns vorbeizieht, ohne Notiz zu nehmen. Irgendwann läuft er uns in den Wind und das Schauspiel hat ein Ende.

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Der Bock sprang aufs Blatt. Doch er ist deutlich zu jung (Bild: Moritz Englert)
 
Doch wir hatten ja sowieso etwas anderes vor. Also pirschen wir weiter, bis wir schließlich an der Hecke von gestern Abend ankommen. Wir schleichen diese entlang, am Ende arbeiten wir uns Stück für Stück sehr vorsichtig vor. Und tatsächlich! Der Bock von gestern abend liegt am Rande einer anderen Hecke, die etwa 150 Meter entfernt beginnt und im 90-Grad-Winkel zu unserer Hecke steht. Eine Ricke ruht direkt daneben. Der Wind steht gut, und wir kriechen das immer niedriger werdende Ende unserer Hecke entlang. Wir müssen so weit kommen, dass ich freies Schussfeld habe. Nach einer gefühlten Ewigkeit sind wir so weit, bleiben aber vorerst in der Hocke und versuchen, einen Plan zu schmieden. Aufzustehen und den Zielstock aufzustellen, könnte die Rehe alarmieren. Wir entscheiden uns dafür, dass Hubert kniend den Zielstock hält, während ich langsam die Waffe so auflege, dass ich schnell in Anschlag gehen kann. Der Plan gelingt, ich stehe im Anschlag, die Rehe liegen noch auf der Wiese. Kurz darauf wird die Ricke hoch und zieht langsam vor uns weg. Der Bock wird sicher gleich folgen, dann muss ich schnell sein. Schon ist er auf den Läufen, doch noch im Hochwerden dreht er ab, zieht spitz von uns weg der Ricke hinterher. Chance vertan? Nicht ganz, denn die beiden machen sich wieder ans Liebesspiel. Ich muss geduldig sein, während der alte Bock die Ricke vor sich her treibt, immer enger werdende Ringe ziehend. Es dauert etwa zwei Minuten, bis er sie schließlich beschlägt. Eine Zeit, die sich für mich ewig anfühlt. Schließlich trennen sie sich, beginnen zu äsen. Der Bock steht nun frei, und ich lasse fliegen. Die Kugel sitzt, nach wenigen Metern verendet der Alte. Erneut bin ich überglücklich über die spannende Jagd in atemberaubender Landschaft. Die Trophäe des Bockes ist nicht stark, er hat bereits sichtbar zurückgesetzt. Die Erlegung war dafür umso erfüllender.
 

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Kein starker, aber ein alter Bock. Er kam nach spannender Pirsch zur ­Strecke (Bild: Moritz Englert)


Perfekte erste Reise


Wie könnte eine erste Jagdreise schöner verlaufen als mit zwei ehrlich und spannend erpirschten Rehböcken. Wer schon viele stärkere Böcke erlegt hat und das Besondere oder Rekordtrophäen sucht, für den ist Trzciel nicht der richtige Ort. Wer jedoch nach Lust und Laune einen fantastischen Rehwildbestand in uriger pommerscher Landschaft bejagen möchte, der ist hier genau richtig.
 

Oberförsterei Trzciel

 

Größe: 14.000 Hektar Staatsrevier, 3.000 Hektar Genossenschaftsjagd (insgesamt 17.000 Hektar bejagbare Fläche)

Struktur: Abwechselnd Wald, Wiesen, Felder und Brachen. Kiefernwälder wechseln sich mit Buchen und Eichenbeständen ab. Außerdem liegen mehrere Seen im Revier. Das Revier ist flach und leicht zu begehen.

Beste Reisezeit: Die Jagdzeit auf Böcke geht vom 11. Mai bis zum 30. September. Besonders bietet sich der Beginn der Saison sowie die Blattzeit an.

Anreise: Am besten im eigenen Auto über Frankfurt/Oder. Das Revier ist gut erreichbar und autobahnnah gelegen.

Unterkunft: In der Försterei inmitten des Revieres. Die Unterkunft der Luxus-Kategorie bietet Einzel- und Doppelzimmer sowie zwei großräumige Apartments mit eigener kleiner Küche. Alle Zimer verfügen über eigenes Bad und WC. Im Jagdhaus haben Sie die Möglichkeit, in einem großen Kaminzimmer mit einer Bar die Jagderlebnisse Revue passieren zulassen.

Preis: 1.390 Euro
Darin enthalten:
• 5 Reisetage
• 4 Übernachtungen im DZ (Luxus-Kategorie)
• Vollpension ohne Getränke
• 3 Jagdtage
• Jagdorganisation Einzeljagd
• Dolmetscherdienste
• Pirschführung
• Vorpräparation Trophäe
Nicht im Preis enthalten:
• Anreise, persönliche Ausgaben
• Zuschlag Einzelzimmer
• Kilometergelder
• Bearbeitungsspesen
• Abschussgebühren

Abschussgebühren:
bis 149 g Gehörngewicht 190,00 €
ab 150 g bis 199 g 220,00 € + 1,50 € je 1 g über 150 g
ab 200 g bis 299 g 295,00 € + 1,80 € je 1 g über 200 g
ab 300 g bis 349 g 475,00 € + 6,80 € je 1 g über 300 g
ab 350 g bis 399 g 815,00 € + 11,80 € je 1 g über 350 g
ab 400 g bis 499 g 1.405,00 € + 14,00 € je 1 g über 400 g
über 500 g 2.805,00 € + 14,00 € je 1 g über 500 g

Autor: Moritz Englert