26.07.2023
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DJZ
Ausgabe 06/2023
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5 Min

Die Sache mit dem Wild im Wald

So gelingt’s!

Die Wald-Wild-Problematik ist und bleibt ein heißes Eisen. Ein Forstwissenschaftler analysiert die aktuelle Gemengelage und zeigt eine Lösung auf.

So gelingt’s!

Bild: Reiner Bernhardt

Autor: Prof. Dr. Dr. Sven Herzog
Die Vergrößerung der Forstreviere und der Personalabbau (ab dem letzten Viertel des 20. Jahrhunderts, d. Red.) hatte auch auf dem Gebiet der Jagd Folgen. Die Rationalisierungsmaßnahmen führten dazu, dass selbst die Jagd „effizienter” gestaltet werden musste.


Ausgangssituation


Dieses wiederum hatte zur Folge, dass großflächige Gesellschaftsjagden („Drück-Stöber-Jagden”) die Regel wurden und dass Bejagung zunehmend unter Effizienzgesichtspunkten abläuft. Gleichzeiztig wurden die Ausgaben für Hegemaßnahmen deutlich reduziert, die Pflege von Wildwiesen oder die Winterfütterung wurde in vielen Forstbetrieben eingestellt. Dass dies zu mehr Schäden führen kann, wird ignoriert bzw. man versucht, dieses durch noch intensivere Bejagung zu kompensieren – einschließlich höherer Kosten für die Jagdorganisation.
Einige Betriebe haben auch hier das „Outsourcing” vorangetrieben, was letztlich die Kosten für die Jagd noch einmal deutlich gesteigert hat: Die Beamten sind vorhanden und müssen weiterhin bezahlt werden. Die Kosten für externe Dienstleister kommen hinzu. Wenn wir merken, dass wir in der falschen Richtung unterwegs sind, hilft es nicht, das Tempo zu erhöhen.
Wir befinden uns in vielen Forst- betrieben in einem Teufelskreis von zunehmenden Fraßeinwirkungen, teilweise auch wirklichen Schäden, auf die gleichzeitig mit mehr Jagd und weniger Investition in den Wild- bestand reagiert wird. Letzteres führt zu weiter ansteigenden Schäden.
Dabei ist zweierlei verloren gegangen: zum einen die klare Fokussierung jagdlicher Maßnahmen innerhalb der Forstreviere auf die Flächen, die in den nächsten Jahren waldbaulich relevant sind. Zum anderen werden zunehmend Nachhaltigkeitskriterien, insbesondere ethische Kriterien, infrage gestellt. Das widerspricht eklatant dem selbst auferlegten Anspruch der Vorbildlichkeit – wie ihn zumindest die staatlichen Forstbetriebe pflegen.
 


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Die Verjüngung setzt sich durch. Hier wird scharf und weidgerecht gejagt. An anderen Stellen finden sich Wildwiesen und Ruhezonen, wo kein Schuss fällt (Bild: Martin Otto)


Der Kardinalfehler


Das größte ökonomische Problem stellt allerdings die vielfach fehlende Koordination jagdlicher Maßnahmen mit waldbaulichen Entscheidungen dar: Jagd ist ein ausgesprochen kostenintensiver Teil des Forstbetriebes. Daher ist es zunächst sinnvoll, jagdliche Aktivitäten auf diejenigen Flächen zu fokussieren, die sensibel für die Fraßeinwirkung des Wildes, also insbesondere verbiss- oder schälgefährdet sind.


Die Lösung


Das Prinzip der Schwerpunktbejagung, welches für das Rehwild bereits vor Jahrzehnten entwickelt wurde, ist das derzeit wohl geeignetste Konzept – insbesondere da neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass auch Rotwild auf diese Weise prima zu bejagen ist.
Diese Vorgehensweise spart einerseits Kosten und sichert andererseits die Erfolge genau auf den Flächen, auf welchen in diese Maßnahmen investiert wurde.
Schafft man gleichzeitig Ruhezonen sowie Wildäsungsflächen ohne Bejagung (empfohlen sind mindestens fünf Prozent der Waldfläche), wird alleine durch die damit verbundene erhöhte Ruhe der Schaden durch Waldwiederkäuer deutlich zurückgehen. Dass damit oftmals eine größere Sichtbarkeit des Wildes auch am Tage verbunden ist, bildet einen positiven Nebeneffekt für Waldbesucher.

 


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Erfolgreiche Schwerpunktbejagung eines Forstamtes in Eigenregie (Bild: Werner Nagel)


Die Chance


Derzeit besteht eine einmalige Gelegenheit, derartige Konzepte in die Tat umzusetzen: Große Freiflächen, auf denen die Fichte durch Trockenheit und Borkenkäfer verlorengegangen ist, müssen wiederbewaldet werden. Hier ist es meist leicht und vor allem kostengünstig möglich, entsprechende Äsungsflächen und Ruhezonen mit einzuplanen und damit zusätzlich das Risiko für Schäden an den ebenfalls neu entstehenden Verjüngunsgflächen zu minimieren.
Wir müssen wieder lernen, den waldbaulichen Erfolg in Form einer gesicherten Verjüngung im Auge zu behalten. Und nicht den jagdlichen Erfolg in Form einer möglichst großen Zahl erlegten Wildes.
Schließlich ist eine größere Gelassenheit im Umgang mit den Wildtieren angezeigt: Die wenigen langfristigen Untersuchungen, die es zu dieser Frage gibt, zeigen: Es besteht fast keine Korrelation zwischen Wilddichte, Fraßeinwirkungen in den Forstkulturen oder Naturverjüngungen sowie der Erreichbarkeit forstlicher Ziele.
 
Info
Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus dem wegweisenden Buch von Prof. Dr. Dr. Sven Herzog mit dem Titel: „Die Sache mit dem Wald. Neue Perspektiven und Konzepte für unser Ökosystem”. Die bibliographischen Daten sind: 352 Seiten, zahlreiche, meist farbige Abbildungen, Hardcover. Das Werk ist im Kosmos Verlag, Stuttgart, erschienen (ISBN: 978-3-440-17529-3). Der Preis beträgt 28 Euro. Die Lektüre lohnt unbedingt. Das gilt sowohl für Weid- als auch für Forstleute. rr

Autor: Prof. Dr. Dr. Sven Herzog