08.09.2025
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8 Min

Interview

5 Säulen der Zukunft

Im Rahmen des Bundesjägertags 2025 in Bonn nahm sich DJV-Präsident Helmut Dammann-Tamke Zeit für ein Interview mit WILD UND HUND. Falk Kern

5 Säulen der Zukunft

Bild: Markus Hölzel

WuH: In der Öffentlichkeit hat der LJV Brandenburg über einen Austritt nachgedacht. Wie sieht es im Moment mit der Geschlossenheit im DJV aus?

Helmut Dammann-Tamke: Ja, ja. Also es waren 5 Ziele, die ich ausgegeben hatte. Es war Geschlossenheit, es war Kampagnen­fähigkeit, es war die neuen Kommunikationsmedien offensiver nutzen, es war unserer Anerkennung als Naturschutzverband gerecht werden und es war, Anwalt des Wildes zu sein. Nach 20 Jahren Politik habe ich Geschlossenheit ja nicht zufällig an eins gesetzt, sondern ich weiß aus meiner politischen Arbeit, dass man in der Politik nur mit Anliegen durchkommt, wenn man sie geschlossen vorträgt. Wenn Sie auf Brandenburg anspielen: Ich will das nicht weiter ­öffentlich kommentieren, außer, dass Kritik selbstverständlich ist und auch ausgesprochen werden muss. Aber Kritik gehört in einen Verband, in demokratischen Entscheidungsprozessen, in die Gremien, damit man sich gemeinsam darüber eine Meinung bilden kann. ­Deshalb ist es schade, dass sie über Umwege über die Presse kommuniziert wird. Ich setze darauf, dass jemand, der Kritik hat, diese auch in den Gremien vorbringt, wo sie hingehört.

WuH: Als 2. Ziel nannten sie Kampagnenfähigkeit. Dazu haben sie mit Scholz & Friends eine Agentur mit eingebunden. Gibt‘s ein Fazit?

Helmut Dammann-Tamke: Ja, wir ­haben uns vor 1,5 Jahren entschieden, unseren Außenauftritt durch professionelle Kommunikationsagenturen zu begleiten, um das professioneller zu gestalten. Wir haben uns damals mehrere Angebote geben lassen. Scholz & ­Friends hat mit Abstand den besten Eindruck hinterlassen, und wir haben uns einstimmig für einen Auftrag an Scholz & Friends ausgesprochen. Nach diesen 1,5 Jahren stelle ich fest, dass Scholz & Friends sehr gut darin ist, Claims – also klassische Sprüche, die auch mal das Zeug haben, durchzudringen – zu entwickeln. Aber gute Claims zu entwickeln und sie dann auch außerhalb unserer Blase in die Community und in die Medien zu bringen, ist eine andere Herausforderung. Deshalb werden wir im Präsidium, vermutlich in der nächsten Sitzung, darüber beraten, ob Scholz & Friends unsere Erwartungen vollumfänglich erfüllt hat oder ob wir uns ggf. neu orientieren müssen, um in der ­Außenwahrnehmung besser durch­zudringen.

WuH: Social Media und junge Jäger: Wie schätzen Sie die Veränderungen ein?

Helmut Dammann-Tamke: Die junge Generation liest keine Tageszeitung, schaut keine Nachrichtensen­dungen mehr. Sie liest vielleicht noch ein Fachmagazin, wahrscheinlich online. Sie beziehen ihre Informationen im Wesentlichen aus den sozialen Medien. Wenn wir als ältere Generation – als Boomer – nicht bereit sind, auf die Kommuni­kationskanäle dieser jungen Leute einzusteigen, laufen wir Gefahr, sie zu verlieren. Und wer die jungen Leute verliert, was das Verbandswesen angeht, hat keine gute Zukunft.

WuH: Was sagen Sie zur Seabay-Umfrage, die zeigt, dass Jagd eine hohe Akzeptanz genießt, aber Wildbret nur an 5. Stelle als Jagdrechtfertigung steht?

Helmut Dammann-Tamke: Ich glaube, das ist im Wesentlichen der Klimadebatte geschuldet. Die meisten Menschen haben begriffen, dass dem Wald eine zentrale Bedeutung in Bezug auf CO2-Einlagerungen zukommt. Wer sich ernsthaft mit der Materie befasst hat, weiß: Wir müssen unsere Wälder hin zu klimastabilen ­Wäldern umbauen. Und wenn Sie dann weiterdenken, merken Sie: Dann müssen auch die Wildbestände angepasst sein. Das ist ein Effekt, den wir nicht allein unserer Öffentlichkeitsarbeit zuschreiben können, sondern der uns flankierend von der Klimadebatte zugutekommt. Für Wildbret, ja – das hat mich fast aus den Socken gehauen. Es waren 8 Antworten vorgegeben, unter anderem Ethik. Man sollte meinen, dass jemand, der Fleisch konsumiert, es auch ethisch in Ordnung findet, Wildfleisch zu essen. Offensichtlich zeigt diese Befragung aber, dass andere Gründe ethisch höher gewertet wurden. Trotzdem essen 90 % der Befragten weiter Fleisch. Das zeigt deutlich, wo wir in der Öffentlichkeitsarbeit außerhalb unserer Blase ansetzen müssen: Aufklärung Denn aus ethischen Gesichtspunkten ist Wildfleisch das Beste, was man bekommen kann.

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„Wenn eine forstlich geprägte Behörde vorgibt, wie gejagt wird, und Sanktionen bei Nichterfüllung von Abschussquoten drohen, rüttelt das an den Grundfesten der Jagd.“ (Bild: Markus Hölzel)

WuH: Viele Jäger fragen sich wegen steigender Mitgliedsbeiträge, wo ihr „Return on Investment“ bleibt. Wie sehen Sie das?

Helmut Dammann-Tamke: Der DJV hat 2016 eine Beitragserhöhung beschlossen, die 2019 in Kraft trat – von 12 auf 17 €. Nach unserer Finanzplanung wird diese Beitragserhöhung bis 2032 oder 2033 zu stabilen Beiträgen der 15 Landesverbände führen. Die Erhöhungen in den Ländern sind nicht vom DJV getrieben. Klar ist, dass viele Ausgaben nach Corona gestiegen sind: Personal wird teurer, wir investieren mehr in Kommunikation, und manche Landesjagdverbände stecken viel Geld in Demonstrationen. Zum Thema Return on Investment: Wir sind kein Unternehmen, sondern ein Interessenverband. Unsere Aufgabe ist es, dass Mitglieder und künftige Generationen noch halb so weit wirken können wie wir heute. Einen messbaren Return on Investment wird es nicht geben – vielleicht nur die Erkenntnis kommender Generationen, dass wir damals gute ­Dinge auf den Weg gebracht haben.

WuH: Im Hinblick auf Jagdethik und Technik – ab wann ist man noch „Anwalt des Wildes“?

Helmut Dammann-Tamke: Vorweg: Es gibt Grenzen dessen, was wir aus ethischen Gründen an Technik einsetzen sollten. Techniken wie Drohnen mit ­Waffen, die aus dem Militär stammen, hätten in der Jagd keine Akzeptanz. Der Mensch neigt dazu, verfügbare Technik zu nutzen – deshalb müssen wir uns selbst Grenzen setzen. Diese Debatten gab es schon bei Zielfernrohren, Schalldämpfern oder Nachtsichttechnik. Wenn man sich für Technik entscheidet, sollte man auch die optimale Technik zulassen – aber nicht jede. Zur sog. Spot-Technik, bei der ein roter Punkt das Ziel markiert: Sie funktioniert nur auf kurze Distanz, hat in der Öffentlichkeit eine hohe emotionale Wirkung und bringt jagdlich wenig. Wir sind uns im Präsidium einig: Jagdrechtlich höchstens für Nach- suchengespanne zum Testen, wenn es einen Sicherheitsgewinn bringt. Hauptbotschaft: Wir sollten uns vor dem ethischen Hintergrund klare technische Grenzen setzen. Bei KI in der Jagd bin ich sehr skeptisch – sie nimmt viel von der Faszination.

WuH: Junge Jagdscheininhaber nehmen zu, gleichzeitig gibt es Kritik an der ­Prüfungspraxis. Was muss lt. DJV der moderne Jäger wissen?

Helmut Dammann-Tamke: Das Recht zur Erteilung des Jagdscheins und die Prüfungsordnung sind zentrale Aufgaben des Bundes. Im DJV-Präsidium ist noch nicht entschieden, ob wir den Gesetzgeber zur Änderung auffordern.
Meine persönliche Meinung: Neben wildbiologischen und handwerklichen Kenntnissen – die man nur in der Praxis ver­tiefen kann – sollte besonders die Schießausbildung gestärkt werden, aus Gründen der Sicherheit für Mitjäger, Treiber und Spaziergänger. Ich würde mehr Wert auf Sicherheitsaspekte legen. Das ist jedoch noch kein allgemeiner Konsens.

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„ Wenn wir als ältere Generation – als Boomer – nicht bereit sind, auf die Kommunikationskanäle dieser jungen Leute einzusteigen, laufen wir Gefahr, sie zu verlieren. Und wer die jungen Leute verliert, was das Verbandswesen angeht, hat keine gute Zukunft.“ (Bild: Kapuhs/DJV)

WuH: In Mainz fiel die Äußerung „massive Sorge vor dem Landesjagdgesetz“. Was sagen Sie dazu?

Helmut Dammann-Tamke: Der Kollege Dr. Florian Asche sprach von einer „Bunker-Endzeit-Mentalität“. Nach unseren Informationen hat sich die Koalition in Mainz – 9 Monate vor der Landtagswahl – darauf verständigt, dass jeder Partner ein Wunschgesetz umsetzen darf. Die grüne Landwirtschaftsministerin Eder wählte das Jagdgesetz, wohl auch, um als Spitzen- kandidatin zu punkten. Gefährlich ist, dass der obersten Jagdbehörde ein großer Katalog an Eingriffsmöglichkeiten gegeben werden soll, der das vertragliche Gestaltungsrecht von Jagdrechtsinhabern und -pächtern stark beschneidet. Ich bin der Meinung, dass dies verfassungsrechtlich angreifbar wäre, da Eigentum in Deutschland hohen Schutz genießt und das Jagdrecht ans Eigentum gebunden ist. Wenn eine forstlich geprägte Behörde vorgibt, wie gejagt wird, und Sanktionen bei Nicht- erfüllung von Abschussquoten drohen, rüttelt das an den Grundfesten der Jagd.

Die Fragen für WILD UND HUND stellte Falk Kern.

Autor: Falk Kern