18.09.2023
|
WUH
Ausgabe 18/2023
|
9 Min

Hege und Artenschutz

W wie wertvoll

Im Münsterland beschäftigt eine Kreisjägerschaft einen Berufsjäger und bemüht sich so um die Niederwildhege. Christoph Boll hat sich über das einmalige Projekt „W-Land“ informiert.

W wie wertvoll

Bild: Stiftung Westfälische Kulturlandschaft/chb

In der Stimme von Josef Roxel klingt auch ein wenig Stolz mit, wenn er vom „W-Land“-Projekt (Warendorfer Landnutzer arbeiten für Naturschutzzwecke und Biodiversität). Seine Kreisjägerschaft (KJS) ­Warendorf sei die einzige in Nordrhein-Westfalen und wohl auch weit darüber hinaus, die einen Berufsjäger beschäftigt, so deren Vorsitzender. Wobei das rein formal betrachtet allenfalls halb richtig ist. Denn auf dem Papier ist die Stiftung Westfälische Kulturlandschaft Felix ­Homanns Arbeitgeber. Die Partner eint der Wille, die Lebensräume der Offenland- und Niederwildarten zu schützen und zu verbessern. Ins Boot geholt haben sie dazu auch den Kreis Warendorf und 3 ortsansässige Geldinstitute als Sponsoren.
 
Initiiert wurde „W-Land“ von der Kreisjägerschaft Warendorf. Als das Projekt „Hegebeauftragter für das Münsterland“, das 2016 vom Landesjagdverband NRW, dem Verband der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer sowie dem Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband gemeinsam mit der Stiftung Westfälische Kulturlandschaft geschaffen worden war, auslief, waren sich Roxel und sein Stellvertreter Markus Degener schnell einig, dass es eine Fortsetzung ­geben muss. „Der Ansatz war und ist sehr zielführend“, schildert Degener, KJS-Obmann für Naturschutz, die gesammelten Erfahrungen. Dafür greift die KJS seit 2020 auch ins ­eigene Portemonnaie. Und sie hatte Glück, auf den Berufs­jäger und Landschaftsarchitekten Felix Homann zu treffen. Der 28-Jährige absolvierte genau zum richtigen Zeitpunkt ein Praktikum bei der Stiftung Westfälische Kulturlandschaft.

30418
Markus Degener, stellvertretender KJS-Vorsitzender und Obmann für Naturschutz, sieht in der professionellen Beratung durch einen Berufsjäger großes Potenzial. (Bild: Christoph Boll)


Selbst von einem landwirtschaftlichen Betrieb im niedersächsischen Cloppenburg kommend, sei Homann einfach „bauernkompatibel“, werde mit seiner Hochschulausbildung auch von Behörden akzeptiert und treffe auch bei den Jägern den richtigen Ton, weil er „weiß, wovon er spricht“, bescheinigt Degener. Der entscheidende Erfolgsfaktor sei das Gespräch auf Augenhöhe mit allen Beteiligten. Er gewährleiste eine neu­trale Beratung, sagt Homann, der „mit Jagd und Natur aufgewachsen“ ist.
 

30417
Berufsjäger mit landwirtschaftlichem Hintergrund: Felix Homann kann sowohl mit Bauern als auch mit Jägern auf Augenhöhe kommunizieren. (Bild: Christoph Boll)

Ziel ist, Landschaftselemente mit eingeschränktem ökologischen Nutzen aufzuwerten und auf landwirtschaft­lichen Flächen ökologisch hochwertige Maßnahmen umzusetzen. Letztlich leisten die Verbesserungen im Lebensraum einen besonderen Beitrag zur Niederwildhege. Wesentlicher Aspekt: Alle Maßnahmen werden auf die konkrete Fläche zugeschnitten, lassen sich in die Betriebsabläufe integrieren und sind möglichst einfach in der ­Umsetzung. So werden bspw. Hecken sowie Kleingewässer gepflegt, Wegränder und ­Gräben aufgewertet. Neben landwirtschaftlichen Förder­programmen werden auch ökologisch hochwertige projekt­eigene Maßnahmen umgesetzt, um das Angebot und die ­Attraktivität für Bauern und Jäger zu ­erhöhen. Das alles sei im ­Ehrenamt gar nicht zu leisten, sind sich alle Beteiligten einig.

30415
Das antizyklische Wachstum der Blühstreifen im Vergleich zum Getreide schafft Strukturen und neue Lebensräume. Sie erhöhen die Artenvielfalt, bieten Fasanengesperren Äsung sowie Deckung und dem Rehwild einen ruhigen Einstand. (Bild: Stiftung Westfälische Kulturlandschaft)

Meistens sind es die Revierpächter, die Homann als erste ansprechen und eine ganzheitliche Beratung wünschen. ­Danach werde dann das gemeinsame Gespräch mit dem Landwirt geführt und soweit möglich, etwa im Bereich der Agrarumweltmaßnahmen oder des Vertragsnaturschutzes, ein passendes Förderprogramm gesucht. In jedem Fall handele es sich um eine Individuallösung. „Ich bereite das soweit vor, dass der Landwirt nur noch unterschreiben muss“, ­erklärt Homann seinen Dienstleistungsansatz. Der umfasst auch die Suche und Bestellung des richtigen Saatgutes, dessen Ein­arbeitung und das Einmessen der Flächen. „W-Land“ sei „umsetzungsorientiert mit äußerst wenig Bürokratie“, verdeutlicht der Berufsjäger den Ansatz. „Ich brauche nur einen ­Anruf, dann gehts los.“

Die Leistungsbilanz seit Projektbeginn im Jahr 2020 kann sich sehen lassen: Bis Mitte 2023 haben sich 135 Reviere – das ist fast ein Drittel aller Reviere im Kreis – mit einer Gesamtfläche von 42 809 ha beraten lassen. 29 Landwirte hatten zuvor keinerlei Bezug zur Jagd oder zur KJS. 107,4 ha wurden in den Vertragsnaturschutz aufgenommen, mit 18 Maßnahmen ­ 4 500 lfm Hecken gepflegt, es erfolgten 12 Hecken-Wald­randanpflanzungen mit 2 600 Pflanzen. Auf 193 Teilflächen mit insgesamt 48 ha wurden Strukturbrücken, also Blühstreifen in Getreideschlägen, geschaffen. Homann hat rund 150 000 €­ Fördergelder akquiriert und 24 Vorträge bei Hegeringen, Ortsbauernverbänden, Vereinen und Kreisjägerschaften im und um den Kreis Warendorf gehalten.
 
Längst steht das W im Projektnamen auch für wertvoll. Das findet auch öffentliche Anerkennung: Die Wildtier- und Biotopschutz-Stiftung NRW hat „W-Land“ mit ihrem Biotophegepreis 2022 ausgezeichnet. Landrat Dr. Olaf Gericke hat bereits öffentlich die Fortsetzung der im September auslaufenden ersten Projektphase um weitere 3 Jahre angekündigt und die weitere Förderung des Projektes durch den Kreis Warendorf mit jährlich 15 000 € zugesagt. Das ist ein Viertel der Kosten. Das Projekt sei ein Musterbeispiel für die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Jägern und Naturschützern. Etwas Besseres könne es nicht geben. Wichtig sei „gemeinsam zu sehen, was zusammen geht, und dann die Enden zusammenzubinden“.
 
Dass die Verantwortlichen der KJS durchaus auch eifersüchtige Blicke der hauptberuflichen Naturschützer registrieren, ändert nichts an ihrem positiven Resümee. Es sei eine Win-win-Situation für alle Beteiligten, so Roxel und Degener. Auch wenn die KJS einen Großteil der freien Mittel in „W-Land“ investiere, sei das jeden Cent wert. „Denn Professionalisierung der Beratung und Weiterbildung unserer Mitglieder sind das A und O“, so der Obmann für Naturschutz. Dass die gemeinsam mit dem Kreis finanzierte halbe Stelle von Homann, der daneben noch in einer Jagdschule arbeitet, bei der Stiftung angesiedelt ist, habe praktische Gründe. Schließlich könnten ehrenamtliche KJS-Vorstände nicht auch noch Fahrtkostenabrechnungen und Urlaubsanträge abzeichnen oder sich um den richtigen Handy-Tarif für den Mitarbeiter kümmern.
 
 

Chance für das Niederwild


Die beiden Leiter der Projekte LEPUS­-NRW, Hendrik Specht, und „W-Land“, ­Felix Homann, von der Stiftung Westfälische Kulturlandschaft beschäftigen sich seit Jahren mit dem Gestalten von Nieder­wildlebensräumen. Sie sind sich einig: In diesem Herbst werden in vielen Revieren die Weichen für die nächsten Jahre in ­Sachen Artenvielfalt und Niederwild ­gestellt. Die neuen EU-Vorgaben für die Landwirtschaft sehen spätestens ab dem Jahr 2024 eine Flächenstilllegungsverpflichtung von 4 % vor. Ein Teil dieser Flächen ist bereits in manchen Revieren vorhanden, jedoch wird noch ein Großteil ab Herbst dazukommen. Sofern Betriebe diese Bereiche für 2024 mit einer Einsaat versehen wollen, ist dies nur im Herbst dieses Jahres möglich. Ziel muss sein, diese Flächen ökologisch hochwertig zu gestalten, raten Specht und Homann. Häufige landwirtschaftliche Praxis ist jedoch, eine Beikraut unterdrückende Gräsermischung einzusäen. ­Davon profitieren nur wenige Arten. Ein hohes Potenzial geht deshalb verloren.
 
Speziell das Niederwild braucht dringend Flächen und Randstreifen, die durch Blütenreichtum sowie Kräuter auch einer Vielzahl Insekten Lebensraum bieten. Je mehr Diversität diese Areale beinhalten, desto wirkungsvoller sind diese langfristig für die Entwicklung des Niederwildes. Laut den Experten sollte die mehrjährige Brache in streifenfenform mit einer möglichst großen Breite von mind. 18 m bevorzugt werden. Die perfekte Lage sei in der freien Feldflur, möglichst weitab von hohen Bäumen, Waldkanten, ­Wegen und weiteren Störfaktoren. Je früher die Einsaat erfolge, desto besser, am besten direkt in die Stoppel ­möglichst kurz hinter dem Mäh­drescher. Die Mischung sollte aus regionalen Kräutern und Stauden bestehen.

30419
Die Verpflichtung zur Flächenstilllegung kann eine Chance fürs Niederwild sein. (Bild: Stefan Meyers)

„Nutzen Sie jetzt die Gelegenheit und sprechen Sie mit Ihren Landwirten“, ­appellieren Specht und Homann. Jeder Revierpächter könne seine Landwirte bei der Einsaat unterstützen oder entsprechende Hinweise geben.
 
Weitere Infos zum Thema finden sich u. a. auf der Internetseite der Stiftung Westfälische Kulturlandschaft:
kulturlandschaft.nrw/w-landlepus-nrw.de
kjs-warendorf.de/w-land
 
chb

Autor: Christopgh Boll