18.07.2025
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10 Min

Rehblatter

Warum noch einer?

Blatter gibt es auf dem Markt mehr als genug. Wie er zum Blatten kam und was ihn bewegte, einen neuen mitzuentwickeln, das verrät Bertram Quadt.

Warum noch einer?

Bild: Michael Stadtfeld

Wann ich das 1. Mal dabei war, dass ein Bock hergeblattet wurde, kann ich nicht mehr genau sagen. Über den Daumen gepeilt dürften es in etwa 5 Jahrzehnte sein. Aber damals hatte es mich gepackt. Meine Mutter, die meine beste Lehrerin war, hatte mir vorher erklärt, was sie machen würde: Auf einem kleinen, aus Holz geschnitzten Pfeiflein würde sie eine Melodie spielen. Die würde der Rehbock hören und deswegen herkommen. Das klang wie im Märchen, und welcher kleine Bub hat nicht den Kopf voll mit Märchen, Sagen und Flausen dieser Art? Es war wirklich Magie, die ich da erlebte: Auch wenn die Melodie meiner Mutter wenig nach Zauberei klang, sondern eintönig, fremdartig war – der Rehbock kam, und ich konnte es nicht fassen. Im Grunde geht mir das heute noch so, auch wenn ich inzwischen ziemlich genau zu wissen glaube, was ich am Blattstand machen muss: Wenn der Bock springt, dann ist auf meinem inneren Gesicht immer noch dieses ungläubige, verzauberte, glückliche Staunen zu lesen.

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Heftiges Treiben während der Brunft. Die Ricke, die vom Bock arg bedrängt wird, kann dabei auch das Angstgeschrei ausstoßen. (Bild: Michael Breuer)

Die „Zauberflöten” meiner Mutter hatte ihr Vater, mein Großvater, für sein steirisches Rehwildrevier „Weichselboden” hergestellt, und irgendwann hatte sie sie mir vererbt. Sie sind und waren ein gehüteter Schatz. Ich blattete damit, machte all die Fehler, die man beim Blatten machen kann, lernte dazu und wurde schließlich ganz brauchbar.
Vor einem Vierteljahrhundert fiel mir ein Revier in den englischen Cotswolds in den Schoß. Ich bekam den Auftrag, dort eine Rehwildjagd aufzubauen und einzurichten. Da das Revier zu 70 % aus wilden Wiesen besteht und zu weiteren 30 % aus kleinen, völlig verkrauteten Wäldern und dichten Hecken, war rasch klar: Die Ernteböcke wären nur zur Blattzeit auf den Ruf zu bekommen. In den ersten Jahren dort verfestigte ich meine Kenntnisse über die Jagd mit dem Rehruf. Damals gab es noch sehr wenige Rehwildjäger in England, und das Blatten war etwas, wovon die wenigsten überhaupt gehört hatten. Es gab also niemanden, den ich über Besonderheiten hätte ausfragen können, ich musste selbst Antworten auf meine Fragen finden. So grub ich mich immer tiefer in die Blattjagd, deren Hintergründe und das richtige Vorgehen ein.
Eines Tages stellte mir eine Tante, die eine weiß Gott große Jägerin ist, eine Frage über die Blattjagd, und ich wunderte mich insgeheim, warum eine so erfahrene Jägerin die recht einfache Antwort nicht wusste. Dann fiel mir auf, dass in der Literatur über die Blattjagd diese Antwort und die Zusammenhänge, die dazu führen, schlicht fehlten. Daraus wurde ein Buch: „Blattjagd – Handbuch für Praktiker“, das nun schon seit bald 10 Jahren auf dem Markt ist und immer noch seine Leser findet. Aus dem Buch entstanden Blattjagdseminare, die dazu führten, dass ich mich noch weiter in die Materie hineinarbeitete. Das Schöne am Jagen ist, dass das Lernen wahrscheinlich erst dann endet, wenn der letzte Nagel in den Sarg geschlagen wird.
 
 

WUH-AKTIV "BLATTJAGD"

Dieses Seminar richtet sich an alle, die ihre Blattjagdkenntnisse vertiefen oder gezielt verbessern wollen – vom ambitionierten  Jungjäger bis zum erfahrenen
Waidmann. Termin: 27. September 2025. Anmeldung unter https://pareyshop.de/blattjagdseminar_mit_bertram_von_quadt-s72blja/

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(Bild: Bertram Quadt)
Dass beim Blatten der richtige Ort und die richtige Zeit bei Weitem wichtiger sind als der richtige Ton, das hatte ich recht früh herausbekommen. Dennoch ist die richtige Art des Blattens sozusagen der Schlussstein. Fehlt der, wird der Erfolg entweder ausbleiben oder sich nur durch schieren Zufall einstellen. Mit meiner ererbten Blattersammlung war und bin ich für alle Eventualitäten gerüstet: In einem alten, blechernen und mit grünem Leinen überzogenen Brillenetui bewahre ich das Sammel- surium auf und habe es am Blattstand bei mir. Von laut bis leise, von hochtönend bis tief ist alles dabei, und ich weiß genau, welchen Blatter ich für welche Situation hernehmen muss.

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In den Jahren hat sich ein ganzes Arsenal an Blattern angesammelt. (Bild: Bertram Quadt)

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Mit dem „Universal-Rehblatter“ kann vom Kitzfiep bis zum Angstgeschrei alles imitiert werden. (Bild: Bertram Quadt)

Aber dieses Glück und eine solche Sammlung – nicht jeder Jäger hat so etwas, eigentlich nur die, die sich ihre Blatter selbst bauen. Darum kam mir immer wieder der Gedanke an einen Blatter, der alles kann, was ich am Stand benötige. Leider bin ich handwerklich vollkommen unbegabt und daher nicht im Stande, so etwas zu bauen. Ein Zufall kam mir da zu Hilfe in Gestalt von Nils Kradel, dem Inhaber der „Lockschmiede“. Dieser hocherfahrene Hersteller von jagdlichen Lockern aller Art schickte mir eines Tages ungefragt einen Blatter zu, den er hergestellt hatte, und bat mich, ihn zu testen. Einige Zeit später veranstaltete ich unweit seiner Heimat ein Blattjagd- seminar, zu dem er kam und mich beim Mittagessen fragte, was ich denn von seinem Blatter hielte. Ich sagte es ihm ehrlich: Der Ton war gut, aber in der Höhe nur wenig zu modulieren, die Lautstärke war ebenfalls kaum zu ändern und wenn, dann nur, wenn man den Blatter mit der Faust mehr oder weniger abschirmte. Zudem war er für mein Dafürhalten zu klobig. Nils Kradel schluckte kurz und fragte mich dann, wie denn ein Blatter aussehen müsste, der all meinen Anforderungen entspräche. Ich sagte ihm, was ich von einem Blatter erwarte und machte auf einem Zettel 1 oder 2 Skizzen. Er schaute sich das an, steckte sich den Zettel ein und verabschiedete sich mit den Worten: „Gut, dann bau ich da mal was.“

Die nächsten Monate wurden spannend. Nils baute mehrere Prototypen, hörte sich dann geduldig meine Kritik am jeweiligen Typ an, baute um, veränderte die Konstruktion, machte seinerseits wichtige Verbesserungen am System, bis wir endlich gemeinsam das geschafft hatten, was ich immer haben wollte: den einen Blatter, der alle Aufgaben erfüllt. Die Tonhöhe ist vom hellen Ruf der Schmalgeiß bis zum „Bass“ der Altgeiß problemlos spielbar, der Blatter kann extrem leise gespielt werden und so laut, dass er auch noch über einen ganzen Almkessel oder weite Getreidefelder zu hören ist. Zudem ist ein eigener Kitzfiep eingebaut. Der Blatter wird aus Nussholz hergestellt und funktioniert wie ein Rohrblattmundstück: Das Blättchen ist mit 3 Ringen fixiert, in der ursprünglichen Version waren es Gummiringe, in der neuesten Variante sind sie durch haltbarere Silikonringe ersetzt. Der vorderste Ring ist so platziert, dass ich – je nachdem wie tief ich den Blatter zwischen die Lippen nehme – alle notwendigen Tonhöhen erzeugen kann. Die Lautstärke regle ich durch den Atem. Der Pia-Laut des Sprengrufs entsteht dadurch, dass ich zum Ende des Tons den Lippendruck leicht nachlasse. Und das Vibrato, das ich fürs große Geschrei brauche, erzeuge ich mit meinem Zwerchfell. Der Kitzfiep ist am anderen Ende des Blatters eingelassen, auch damit lässt sich das Angstgeschrei spielen. Am Blattstand will ich diese brachiale Methode nicht verwenden. Aber bei der Kitzrettung vor der Mahd hat es sich als sehr hilfreich bewährt: Bevor die Wiese mit der Drohne abgeflogen wird, macht man ein paarmal laut das Angstgeschrei des Kitzes. Die Geißen kommen dann recht schnell und schauen nach dem Rechten. Dann wissen Drohnenpilot oder ggf. Hundeführer schon, wo sie hinmüssen. Das spart viel Zeit.

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Wenn die Brunft noch läuft, lässt sich der Bock schlecht von der Geiß mit dem Blatter wegholen. Wohl lässt sich diese aber mit dem Kitzfiep locken. Er folgt ihr dann. (Bild: Rafal Lapinski)

So sind alle Laute vom Locken über den Sprengfiep bis ins große Geschrei spielbar, und das – für mich mit das wichtigste Kriterium – freihändig. Wenn ich blatte, will ich meine Hände nicht am Blatter haben müssen. Entweder halte ich sie komplett still oder sie sind von vorneherein bereits an der Waffe. Wie schnell es am Blattstand oft gehen muss, das dürfte jedem Rehwildjäger bekannt sein. Und wenn ich vielleicht nur einen einzelnen Ton brauche, damit der passende Bock hinter dem Baumstamm hervorkommt, hinter dem er dummerweise verhoffte (aus irgendeinem Grund machen das die Böcke in der Blattzeit fast immer), dann will ich nicht mit den Händen herumfuhrwerken müssen. Dann muss mein Blatter, zwischen die Lippen geklemmt, weiterhin in allen Dimensionen spielbar sein.

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Der Bock ist auf das Blatten gesprungen. Jetzt nur den Locker im Mund behalten, die Hände sind an der Waffe, ... (Bild: Bertram Quadt)
 

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... und mit wenigen Tönen wird der Bock hinter der Deckung hervorgeholt. (Bild: Michael Stadtfeld)

Wir haben diesen Blatter auf den zugegebenermaßen sperrigen Namen „Universal-Rehblatter mit eingebautem Kitzfiep“ getauft. Er trägt das Logo des Herstellers und auf sein Bitten hin als Hinweis auf meinen Beitrag dazu das Wappen meiner Familie. Dass viele Menschen, die ihn haben und nutzen, mich immer wieder kontaktieren und von Erfolgen damit berichten, bestätigt, dass er funktioniert. Denn sie melden mir zurück, dass nicht nur ich mir einbilde, dass dieser Blatter wirklich etwas taugt, sondern dass sie es ganz genau so sehen.
 

Verlosung

Unter allen Leserinnen und ­Lesern verlosen wir 5 „Universal-Rehblatter“. Dazu einfach eine Postkarte an WILD UND HUND, Erich-Kästner-Str. 2, 56379 Singhofen oder eine E-Mail unter wuh@paulparey.de an die Redaktion mit dem Stichwort „Blattjagd“ senden. Einsendeschluss ist der 27. Juli 2025.

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(Bild: PPZV)

Autor: Betram Quadt