26.09.2023
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F&F
Ausgabe 11/2023
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13 Min

Praxis Schwerpunkt

Was sehen Zander eigentlich?

Die Farbpalette der Kunstköder ist ziemlich bunt, aber fängt diese Auswahl nur den Angler im Geschäft oder tatsächlich den Fisch? Birger Domeyer klärt auf, was Zander unter Wasser überhaupt erkennen können.

Was sehen Zander eigentlich?

Bild: Verfasser

Wenn alle Köderfarben, die so auf dem Markt existieren, auch einen Sinn machen sollen, dann müssen Fische ja überhaupt erstmal Farben erkennen können, richtig? Ich fürchte nämlich, dass sogar daran schon viele Angler zweifeln, immerhin schweben immer wieder Aussagen im Raum herum, dass ab bestimmten Wassertiefen alle Farben verschwinden und letztlich grau erscheinen. Dann wäre der ganze Farb-Zirkus nutzlos, und wir müssten lediglich Gummifische in ein paar verschiedenen Grautönen benutzen, fertig ist die Frage nach dem Dekor. So einfach ist es aber nicht, und die Farbwelt unter Wasser ist auch nicht so grau, wie oft vermutet. Ganz im Gegenteil: Auch Zander können Farben gut erkennen und wissen diese Fähigkeit zu nutzen. Wir sollten uns also mit dem Thema Köderfarben auseinandersetzen, es lohnt sich, versprochen

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Das Zanderauge kann sehr gut Farben erkennen, vor allem Grün- und Orangetöne kann es in vielen Nuancen unterscheiden. (Bild: Verfasser)

Das Zanderauge hat eine kleine Besonderheit, von der die meisten schon gehört haben: Es besitzt eine reflektierende Zellschicht auf der Netzhaut, das Tapetum lucidum. Diese sieht man, wenn man mit einer Lampe in das Zanderauge leuchtet oder ein Foto mit Blitz schießt: Das Auge erscheint weiß. Was man da sieht, ist das Licht, das man ins Zanderauge bringt: Es wird schlicht reflektiert. Jeder Lichtstrahl, der also ins Zanderauge fällt, passiert zunächst die Sehzellen, wird reflektiert und noch einmal durch die Sehzellen geleitet. Damit erhöhen Zander also die Lichtmenge, die auf die Sehzellen trifft, was ihnen ermöglicht, auch in sehr düsteren Um­gebungen noch Silhouetten wahrzunehmen.

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Dieser Zander nahm einen silbrigen Twitchbait mit chartreusem Rücken. Hier scheint zwar kräftig die Sonne, das Wasser war aber sehr trüb. Dann ist es oft gut, fluoreszente und natürliche Farben zu kombinieren. (Bild: Verfasser)

Eine gute Anpassung an das typische Jagdverhalten der Zander: Sie sind überwiegend nachtaktiv. Dieses doppelte Durchströmen der Sehzellen mit Licht hat aber auch einen Nachteil: Es kostet Schärfe. Zander können also Objekte bei Weitem nicht so scharf sehen, wie es Hechte oder Barsche können. Das ist für das Farbsehen erstmal weniger wichtig, aber als Angler eine gute Information, wenn man sich immer noch Gedanken über Vorfächer macht: Zander können Schnüre nur sehr schlecht sehen, weil sie insgesamt sehr dünn sind, dafür reicht die Sehschärfe nicht. Schon gar nicht auf Distanz, also auf mehreren Metern Entfernung. Wer also immer noch Bauchschmerzen mit dünnen Stahlvorfächern beim Zanderangeln hat: Zander erkennen diese gar nicht oder zumindest nicht gut. Die Benutzung wird an der Bissfrequenz nichts ändern, an der Häufigkeit verlorener Hechte durch Abbisse sehr wohl.

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Welche Köderfarbe man aussucht, sollte man am Wasser entscheiden und den Lichtbedingungen anpassen. UV-aktive Grün- und Orangetöne sind bei wenig Licht im Vorteil, Naturfarben bei klarem Wasser und viel Sonne. (Bild: Verfasser)

 

Alles grün?

Um Farben konkret erkennen zu können, braucht das Auge Farbsehzellen, die sich von den Hell-Dunkel-Sehzellen in der Anatomie und Häufigkeit unterscheiden. Um es einfach zu halten: Zander haben beides, können also sehr gut Farben erkennen. Diese Fähigkeit ist auch wichtig für den Zander, denn damit kann er Objekte in der meistens recht grünen Unterwasserwelt unterscheiden und erkennen. Die in der Regel durch Algenblüte grün eingefärbte Wassersäule spielt dabei eine entscheidende Rolle. Zander haben zwei sehr ausgeprägte Farbbereiche, in denen ihre Farbsehzellen am meisten ansprechen, die sind sogar mit Wellenlängenangaben bekannt. Das sind 530 und 605 Nanometer. Wer sich nicht mehr so ganz an den Physikunterricht erinnert: Das entspricht den Farben Grün und Orange. Warum nun ausgerechnet diese zwei Farbbereiche?

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Alles grün? Dieses Standbild einer Unterwasseraufnahme zeigt, wie grün die Unterwasserwelt für Fische ist. Der chartreuse Köder, der im Stein hängt, ist aber deutlich erkennbar und hebt sich ab. Dafür sind die UV-aktiven Farbpartikel verantwortlich. Ein oliv-grüner Köder wäre in dieser Distanz bereits mit dem grünen Hintergrund verschmolzen. (Bild: Verfasser)

Filtern ist gefragt

Wie schon erwähnt ist die komplette Unterwasserwelt grün, es ist also für den Zander wichtig, möglichst gut in diesem Farbbereich sehen zu können, um Objekte, die sich darin bewegen, in Feinheiten unterscheiden zu können. Die grünliche Tarnung eines Barsches hilft nur so lange, bis sich der Zander nähert und ihn von dem leicht anderen Grün der Pflanzen im Hintergrund unterscheidet. Die Komplementärfarbe Orange dient dabei als Kontrastmittel. Durch die sehr ausgeprägte Fähigkeit, Orangetöne erkennen zu können, schafft es der Zander, aus dem grünen „Einheitsbrei“ andere Objekte farblich besser herauszufiltern. Diese Eigenschaft scheint wichtig zu sein, denn den hohen Anteil der orange-sensitiven Farbsehzellen besitzen auch Hechte und Barsche. Für uns als Angler bedeutet das bei unserer Köderwahl also ganz klar: Grüntöne sind wichtig, auch in Nuancen verschiedene, denn die unterscheidet ein Zander sehr wohl. Orange, das gerne als Farbklecks auf Köderdesigns verwendet wird, kann helfen, unseren Köder aus der Masse der grünen Objekte für den Zander überhaupt erst erkenntlich zu machen.

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Im Zanderauge ist deutlich die reflektierende Zellschicht, das Tapetum lucidum, erkennbar. Es erleichtert die Jagd in der Nacht, man kann also davon ausgehen, dass Zander auch Farben noch erkennen, wenn sie für unser Auge längst grau erscheinen. (Bild: Verfasser)

 

Greller mit Fluo-Effekt

Jetzt folgt das nächste Level der Farberkennung, die UV-aktiven Farben wie Chartreuse oder Fluo-Orange. Wie bisher gesehen, haben Zander keine spezifischen Sehzellen für UV-Licht, können dieses Spektrum also nicht erkennen. Das heißt aber nicht, dass die UV-Aktivität dieser Köder sinnlos ist. Der Effekt funktioniert nämlich etwas anders, als es viele erwarten. UV-aktive Köder verlieren bei wenig Licht nicht so schnell ihre Farbwirkung. Ein chartreuser Köder wirkt also in der Dämmerung oder in trübem Wasser länger grün als ein nicht UV-aktives grünes Design. Für den Zander ergibt sich also, dass ein chartreuser Gummifisch in der Dämmerung immer noch grün erscheint und dadurch von ihm auch aus einer größeren Distanz überhaupt wahrgenommen werden kann. Der nicht UV-aktive Shad verschwindet im grünen „Einheitsbrei“ unter schlechten Sichtverhältnissen, wenn er zu weit vom Fisch entfernt ist. Das Gleiche gilt natürlich für die Farbe Fluo-Orange, wobei diese vom Zander wahrscheinlich aus noch größerer Distanz erkannt wird, weil zum einen mehr Sehzellen für den Bereich Orange angelegt sind, zum anderen Orange generell eine starke Kontrastfarbe zur Umwelt darstellt.

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Wenn es richtig trüb wird, hilft oft das Design „Firetiger“. Es beinhaltet zwei sehr UV-aktive Grüntöne und UV-aktives Orange, dazu noch schwarze Kontrast-Elemente. Mehr Sichtbarkeit kann man mit Farben für Zander kaum erzeugen. (Bild: Verfasser)

Und jetzt rechne man noch mit hinein, dass ja das Licht zwei Mal die Sehzellen des Zanders passiert, weil er eine reflektierende Schicht im Auge besitzt. Das gilt natürlich auch für farbiges Licht. Ein fluoreszent grüner oder noch besser fluoreszent orangefarbener Köder ist deshalb unter schlechten Sichtbedingungen über eine maximal große Distanz für den Zander erkennbar. Der Rest ist dann Statistik. Stellen Sie sich vor, Ihr Köder wird von Zandern aus etwa vier Metern Distanz wahrgenommen, weil er die ideale Farbe für das jeweilige Gewässer hat. Bei jedem Wurf scannt Ihr Köder also jeweils links und rechts vier Meter Wasserfläche ab, also einen insgesamt acht Meter breiten Streifen, in dem Zander auf das Angebot aufmerksam werden. Oder man wählt das falsche „Grün“ und die Zander finden den Köder erst, wenn er einen Meter oder dichter am Fisch vorbei geführt wird.

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Bei knalliger Sonne und leicht trübem Wasser ist häufig die Kombination aus natürlichem Grün (hier ein olivgrüner Rücken) mit UV-aktivem, orangenem Bauch sehr gut. (Bild: Verfasser)

Eine passende Köderfarbe vervielfacht also schnell den Aufmerksamkeitsradius, man wird zwangsläufig mehr Bisse bekommen, wenn man gut wählt.
Und jetzt raten Sie mal, welchen Farbton wir bei unserer Sonderfarbe vom Easy-Shiner haben verarbeiten lassen? Genau, 605 Nanometer, also UV-aktives Orange. Halten Sie ruhig mal die UV-Lampe an den Köder, er wird orange erscheinen. Diesen Farbton erkennen Zander ganz genau, wenn das Licht abnimmt und die Zander grundsätzlich aktiv werden. Also im trüben Wasser oder in der Dämmerung.
 

Zu viel Farbe?

Jetzt liegt der Schluss nahe, immer die maximal sichtbare Farbe zu wählen, also stets UV-aktives Grün oder Orange in den Karabiner zu hängen. Dann würden die Zander immer meinen Köder aus der größtmöglichen Distanz sehen. Stimmt soweit. Das Problem ist nur, dass auch eine Entscheidung gefällt werden muss, also beißt der Zander zu oder nicht. Im klaren Wasser bei grellem Sonnenschein wird ein knallorangener Köder zu unnatürlich wirken, wenn der Zander dicht genug dran ist. Der Biss bleibt dann oft aus. Es gilt also, für die jeweiligen Sichtbedingungen den richtigen Farbton zu finden. Grün und Orange sind super für Zander, dürfen im klaren Wasser aber auch gerne dunkel ausfallen oder mit Weiß kombiniert werden. Schwindet das Licht, sind die UV-aktiven Grün- und Orangetöne immer mehr im Vorteil. Es ist also ein gutes Händchen bei der Farbwahl gefragt, will man die Bissausbeute verbessern.

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Die zwei Kurven zeigen, bei welchen Wellenlängen vom Zanderauge am meisten Licht aufgenommen wird. Die hohen Ausschläge bei etwa 530 und 605 Nanometer bedeuten, dass grünes und orangenes Licht von den Sehzellen besonders gut verarbeitet werden kann. (Bild: Grafik: Dieter Bode)
 

Was ist mit Schwarz?


Schwarz ist ja eigentlich keine Farbe, weil diese Oberfläche physikalisch gesehen alle farbigen Lichtstrahlen absorbiert und dadurch für uns schwarz wirkt. Trotzdem funktionieren schwarze Köder manchmal ganz gut. Das hat vor allem mit der starken Kontrastwirkung zu tun. Meiner Erfahrung nach reagieren Zander gut auf schwarze Köder in sandig angetrübten Baggerseen, in denen noch aktiv gearbeitet wird. Die vielen Sandpartikel bieten einen recht hellen Hintergrund, vor dem sich schwarze Köder gut absetzen und auch auf größere Distanz erkennbar sind. Im klaren Wasser dagegen hat Schwarz bei mir nie richtig gut funktioniert, auch grundnah gejiggt sind andere Farben meistens im Vorteil.

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Pechschwarze Shads fangen ganz gut in Baggerseen, wenn sie im Mittelwasser angeboten werden. (Bild: Verfasser)

Autor: Birger Domeyer