17.10.2023
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WUH
Ausgabe 21/2023
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9 Min

Wildbrethygiene

Mehr Luft

Bei Bewegungsjagden fallen innerhalb weniger Stunden zum Teil große Strecken an. Darauf sollten Sie unbedingt achten, um eine möglichst hohe Wildbretqualität zu erhalten. Miroslav Vodnansky, Clara Montecuccoli, Peter Paulsen

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Bild: Martin Otto

1. Die Jagd:

 

Der Ausgangspunkt ist der saubere und rasch tötende Schuss. Dass dieser nicht nur von der Schießfertigkeit der Schützen, sondern auch von deren Verantwortungsbewusstsein abhängt, ist leicht verständlich. Spitz anwechselndes Wild zu beschießen, kann zu Streif- oder Weichschüssen führen, die das Leiden des verletzten Wildes, aufwendige Nachsuchen und Qualitätsminderung des Wildbrets oder gar dessen völlige Entwertung zur Folge haben. Je nach Treffersitz und der Dauer der Nachsuche sowie der Bergung ist das Wildbret verschmutzt, geruchsverändert und bakteriell derart belastet, dass es völlig genussuntauglich sein kann. Dasselbe gilt auch für den Schuss auf hochflüchtiges Wild, bei dem das Risiko von Weich- oder Keulenschüssen extrem hoch ist. Hier hilft die klare Ansage des Jagdleiters.
 
Eine wesentliche Voraussetzung für gute Schüsse ist die Auswahl der Stände, der richtige Einsatz von Treibern und Hunden. Schließlich ist auch die Witterung ein Faktor, die den Jagderfolg beeinflusst. Erstere sind Planungsaufgabe für den Jagdleiter. Das rechte Wetter kann man zwar vorher­sagen, aber nicht garantieren. Bei gut organisierten Bewegungsjagden mit guten Schützen liegt der Anteil schnell tötender und – im wahrsten Sinne des Wortes – sauberer Ersttreffer übrigens bei > 70 %.

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Ein hochflüchtiges Stück Rehwild kommt dem Jäger. Der verantwortungsvolle Schütze unterlässt den Schuss. (Bild: Michael Stadtfeld)
 

2. Das Bergekommando:

 
Die Dauer der Treiben ist nicht nur für die Treiber und die Hunde von Bedeutung, sondern sie spielt auch für die Sicherung der einwandfreien Wildbretqualität eine wichtige Rolle. Bei einer richtig durchgeführten Bewegungsjagd wird das Wild idealerweise nur in eine geringe Bewegungsaktivität versetzt, was dessen Stoffwechsel nicht übermäßig beansprucht. Damit hat die Jagd keine negativen Auswirkungen auf die Wildbretqualität, da die Muskulatur der erlegten Stücke noch genügend Energieträger für den gewünschten Ablauf der Fleischreifung enthält. Anders ist es nur bei kranken Stücken, die oft einen Mangel an Energiereserven aufweisen. Sehr problematisch ist es diesbezüglich auch bei krankgeschossenem Wild, das in der Flucht oder im Wundbett die Energie über Muskelaktivität großteils aufbraucht bzw. diese im Wundbett regelrecht „verzittert“. Das führt zu einer ausbleibenden Säuerung des Fleisches und zu schlechter Haltbarkeit des zerlegten Wildbrets. Bei diesen Stücken ist der pH-Wert etwa 24 Std. nach der Erlegung (End-pH-Wert) erhöht. Bei gut geführten Bewegungsjagden ist der Prozentsatz von Stücken mit deutlich erhöhtem End-pH-Wert sehr gering. Dieser lag bei unseren Untersuchungen bei ca. 1 %. Dabei konnten chronische (zehrende) Krankheiten oder Laufschüsse als wahrscheinliche Ursache identifiziert werden.
 
Umgekehrt kommt es zu einem Anstieg der Körpertemperatur, auch noch nach dem Verenden (bis zu 40 °C und mehr), da Innereien und Muskeln weiter Abwärme produzieren. Solange der Blutkreislauf aufrecht ist, kann auch diese Abwärme abgeführt werden. Mit dem Kreislaufstillstand beginnt die Gefahr des Verhitzens – dabei können durch die höhere Temperatur auch Muskeleiweiße geschädigt werden. Die Restenergie in der Muskulatur wird rasch unter Säurebildung verbraucht, und das Fleisch wird hell und wässrig. Beim Schwarzwild ist der Wärmestau im Nacken ein bekanntes Problem, und generell ein Thema beim verspäteten Ausweiden. Das Aufbrechen sollte also rasch erfolgen – die oft empfohlenen 3 Std. sind ein Richtwert für die Höchstdauer. Daraus lässt sich auch die Dauer der Treiben ableiten. Trotzdem kann es bei schweren Stücken oder schwülem Wetter zum Verhitzen kommen.
 
Viele kleine Bergekommandos sind sinnvoll, um die Zeit zwischen Erlegung und Aufbrechen so gering wie möglich zu halten.

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Viele kleine Bergeteams helfen, die Zeit zwischen der Erlegung und dem Aufbrechen zu verkürzen. (Bild: Michael Stadtfeld)
 

3. Der Transport:

 
Dass das erlegte Wild – egal ob schon ausgeweidet oder nicht – auf der Ladefläche eines Pick-ups nicht übereinandergestapelt werden soll, ist offensichtlich, aber oft eine logistische Herausforderung. Es gilt, genug Transportkapazitäten vorzuhalten, die mit den ­Bergeteams unterwegs sind. Auf dem ­Anhänger das Wild neben-, aber auf keinen Fall übereinander legen.

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Egal ob Wild aufgebrochen oder unaufgebrochen transportiert wird: Übereinander gestapelt besteht die Gefahr, dass die Stücke schnell verhitzen. (Bild: WUH-Archiv)

4. Das Aufbrechen:

 
Mit dem Ausweiden kühlt der Wildkörper aus und die bakterienhaltigen inneren Organe, insbesondere der Darmtrakt und bei Wiederkäuern die Vormägen, von denen auch leicht ­Geruchsstoffe in das Muskelfleisch übertreten können, werden entfernt. Es sollte rasch und sauber erfolgen. Besonders bei großen Bewegungsjagden erlaubt ein zentraler Aufbrechplatz mit Trinkwasser, Beleuchtung und ggf. ­einer Überdachung sauberes Arbeiten, auch wenn eine größere Strecke anfällt. Ein eigenes Aufbrechteam, möglichst aus gelernten Fleischern, wird oft ­bessere Leistungen erbringen als durchnässte, durchgefrorene oder ­erschöpfte Schützen und Treiber. Auch können Auffälligkeiten an Wildkörpern und Organen direkt beim Ausweiden durch eine kundige Person erkannt und dokumentiert werden.
 
Bei Schalenwild bringt das Aufbrechen der an den Hinterläufen aufgehängten Wildkörper Vorteile, zumindest sollte Bodenkontakt der Tierkörper vermieden werden. Dann kann auch das Auswaschen des Bauchinnenraumes und des Brustkorbes (ohne Druck) so erfolgen, dass das Spülwasser abfließt. Neben der Entfernung von Schweiß und Verschmutzungen kann die Bakterienfracht durch das Auswaschen auf ein Zehntel oder weniger verringert werden.
 
Eine Rohrbahn zum Hängenlassen der Tierkörper erlaubt das Auskühlen, bevor es in den Kühlraum geht. Je nach Witterung können eine halbe Stunde oder eine Stunde Hängenlassen dazu beitragen, dass der Tierkörper über ­Verdunstung um einige Grade abkühlt, was wiederum das Kühlaggregat in der Wildkammer entlastet.
 
Die Verwertung der inneren Organe, insbesondere der Leber, sollte schon vorher eingeplant werden. Gerade die Leber muss rasch gekühlt werden.
 
Das zentrale Aufbrechen kann durch ein zu kleines Team auch ein Flaschenhals werden – also genügend Leute im Aufbrechteam einplanen.

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Hängendes Aufbrechen durch ein Team, auf festem Boden, möglicherweise mit Überdachung und fließendem Trinkwasser hilft, die Wildbretqualität zu erhöhen. (Bild: Rainer Bernhardt)
 

5. Die Biosicherheit:

 
Ein eher neues Thema: Insbesondere bei Schwarzwild sollte – sofern nicht ohnehin rechtlich gefordert – auf eine Sammlung der nicht essbaren Innereien und Entsorgung über die Tierkörperbeseitigung geachtet werden. Das betrifft nicht nur die Därme, sondern auch den Schweiß. Am zentralen Aufbrechplatz ist das leichter zu bewerkstelligen.

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Gerade bei Schwarzwild empfiehlt es sich, Aufbrüche in Tonnen zu sammeln und in die Tierkörperbeseitigung zu bringen. (Bild: Peter Diekmann)
 

6. Das Streckelegen:

 
Diese gehört zur jagdlichen Tradition, auf die man nicht ­immer verzichten möchte. Dass aber bei mehreren Treiben nur Stücke des letzten Treibens und je Wildart und ­Geschlecht nur ein (einige) Vertreter anstelle der gesamten Tagesstrecke präsentiert werden sollten, und das möglichst nicht am ­Boden liegend, ist für die Hygiene des Lebensmittels Wildbret sehr wichtig. So sollten bestimmte Traditionen behutsam, aber konsequent angepasst werden.

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Symbolisches Streckelegen. Bei versorgtem Wild ist Bodenkontakt zu vermeiden. (Bild: Jens Krüger)
 

7. Die Kühlung:

 
Das Auskühlen beginnt mit dem Aufbrechen. Die Faustregel, dass zur Abkühlung eine Differenz von mind. 5 °C zur Umgebung nötig ist, ist nicht neu. Allerdings spielt auch die Luftfeuchtigkeit eine Rolle. Nach einigen Stunden wird eine aktive Kühlung nötig sein, wobei in den ersten 12 – 24 Std. die Tierkörper nicht zu eng aufgehängt werden sollten.

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In der Wildkammer kann es dampfig werden. Die Stücke evtl. im Freien vorkühlen und nicht zu eng hängen. (Bild: Kristofer Hansson)

Autor: Miroslav Vodnansky, Carla Montecuccoli, Peter Paulsen